Freitag, 26. Februar 2016

Vorwort und Übersicht

Artikelfolge im Gemeindebrief der evangelischen Kirchengemeinde Leverkusen Manfort 3/2005 ff von Helmut Böhme, für das Internet überarbeitet

"Wer ist das Oberhaupt der Kirche?"
Diese Frage stellte ein Mitglied unserer Gemeinde in einer Leverkusener Tageszeitung – KStA v. 22.06.05 -. Im Zusammenhang mit vielen Leserbriefen, die sich kritisch mit Ursprung, Struktur und Wesen unserer Kirche heute auseinander setzten, gewann ich die Überzeugung, dass wenigstens die interessierten und betroffenen Gemeindemitglieder eine sachbezogene Einführung und Übersicht in die Hand bekommen sollten, die diese und ähnliche Fragen näher und im Zusammenhang beleuchten.

Hinzu kommt, dass ich von 1976 bis 2000 als Presbyter, darunter elf Jahre als Kirchmeister und drei Jahre als Vorsitzender des Presbyteriums tätig war. Außerdem stand ich 26 Jahre im Predigtdienst, davon 10 Jahre als Lektor und 16 Jahre als Predigthelfer, heute „Prädikant“ (1976 – 2002). Schließlich gehörte ich in all diesen Jahren der Kreissynode an und habe acht Jahre als Synodalbeauftragter für Predigthelferinnen und –helfer sowie für den Lektordienst gearbeitet. Ich kann also aus Erfahrung sprechen. Das kommt auch in den Artikeln zum Ausdruck.

Die Redaktion war mit meinem Vorhaben einverstanden. Seither erschienen die Artikel:
Wer ist das Oberhaupt unserer Kirche?“ Gemeindebrief 3/2005
Die Gemeinde – wer ist das?“ Gemeindebrief 1/2006
Das Presbyterium (1) – ein unbekanntes Wesen?“ Gemeindebrief 2/2006
Das Presbyterium (2) – Gemeindeleitung (1)“ Gemeindebrief 3/2006
Das Presbyterium (3) – Gemeindeleitung (2)“ Gemeindebrief 1/2007
Das Presbyterium (4)“ Gemeindebrief 2 /2007
Gemeindepfarrer/in – die eierlegende Wollmilchsau?“ (1) Gemeindebrief 3/2007
Gemeindepfarrer/in – die eierlegende Wollmilchsau?“ (2) Gemeindebrief 1/2008

Außerdem war noch eine Folge vorgesehen:
„Kirchenkreis und Landeskirche – unsere Kirchenobrigkeit?“ (Wenn sie verfasst worden sein sollte, so wurde sie jedenfalls nicht veröffentlicht. Walter Böhme, Webmaster)

Die Veröffentlichung aus dem Jahr 2009 war unübersichtlich. Deshalb ist sie jetzt in einzelne Artikel aufgelöst worden. Sie ist aber am Schluss der Artikelserie in der ursprünglichen Form dokumentiert.
Walter Böhme, Webmaster

1. Wer ist das Oberhaupt unserer Kirche?

Diese Frage fand ich in einem Leserbrief im Kölner-Stadtanzeiger vom 26.06.05. Sie hat mich nicht losgelassen. Wir kennen die Antwort seit unserer Konfirmation: Gott, der Vater, Gott, der Sohn und der Heilige Geist. Wir sagen als Christen, dass Jesus Christus der Herr unserer Kirche ist. Die christliche Kirche bekennt sich zu dem Gott und Herrn jenseits dieser Welt, der sich den Menschen durch Offenbarungen mitteilt. Von Beginn an handelt Gott von sich aus und wendet sich an den Menschen, z. B. mit seinem Verbot von den Früchten zu essen, die er am Baum der Erkenntnis findet (1. Mose 2,17), der Geschichte von der Sintflut (1. Mose 6-8) und den Zehn Geboten (2. Mose 20). Von Anfang an ist das Verhältnis zu Gott von einem Unter-/Überordnungsverhältnis geprägt. Das ist nicht ungewöhnlich. Gott ist Schöpfer der Welt und damit auch der Menschen.

Dann geschieht etwas Unerwartetes: Jesus wird geboren, Gott wird Mensch! Das Einzigartige daran ist, dass Gott das aus Liebe zu den Menschen tut. Sie haben sich so oft und so weit von Gott entfernt, dass viele keinen Zugang mehr zu ihm finden können. Darüber hinaus hat Jesus den Auftrag, die Sünden aller Menschen auf sich zu nehmen und den Tod am Kreuz zu sterben, stellvertretend für alle Menschen. Das bringt die Menschen ganz nahe zu Gott. Aus Gott wird Mensch, aus dem Herrn wird – in der Sprache Luthers und vieler unserer Kirchenchoräle – ein „Knecht“, also ein Diener, eine Dienstkraft. Jesus vermittelt uns den Willen seines Vaters und hat uns das wichtigste Gebot genannt: Liebe! Wir sollen Gott lieben, unseren Nächsten und unsere Feinde (Mt. 22,34-40; Mk. 12,18-27; Lk. 10,25-28; Mt. 5,43-48; Lk. 6,27-28 und 32-36).

So stehen wir nun vor unserem Gott von unserer Sünde befreit – jedoch wiederum mit schwerem Gepäck. Wer kann diese Gebote alle erfüllen? Sind das nicht Aufgaben, die schier übermenschliche Kraft erfordern? Entfernen wir uns nicht von neuem immer wieder von Gott?

Diese Fragen sind berechtigt. Verstehen wir diese Gebote einmal als Zielbeschreibungen, auf die hin wir leben sollen mit allen unseren Kräften, dann sieht es schon anders aus. Mit solchem Verständnis könnten wir es wenigstens versuchen. Nun müssen wir etwas über die Heilige Schrift sagen, die uns Gottes Wort verkündet. Genau betrachtet, enthält auch die Bibel Worte von Menschen, Zeugnisse von Menschen über ihren Glauben an Gott und über sein Wirken. Hier wird vom Leben der Menschen mit ihrem Gott berichtet, aus der Sicht dieser Menschen.

Diese Glaubenszeugnisse haben sich zunächst mündlich entfaltet und wurden über Generationen hinweg mündlich weitergegeben, ehe sie erstmals in Schriftform gefasst wurden. Auch diese Schriftform hat sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach geändert. Auf diese Weise ist neben der ursprünglichen Botschaft und Glaubenserfahrung der jeweiligen Zeitgenossen auch vieles in diese Überlieferung eingeflossen, das zur Vorstellungswelt und zum Erfahrungshorizont dieser Menschen gehörte. Auf diese schriftlichen Zeugnisse stützt sich seither die Kirche unserer Zeit.
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Christlicher Glaube

Das älteste christliche Glaubenszeugnis wird von dem Apostel Petrus berichtet, der auf die von Jesus gestellte Frage, wer er sei, spontan und ohne Zögern geantwortet habe: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ (Mt. 16,16; Mk. 8,29; Lk. 9,20). Diesem Bekenntnis sind in der Geschichte viele gefolgt. Eine Auswahl von Glaubensbekenntnissen finden wir in unserem Gesangbuch (eg) unter den Nummern 852 bis 859 bzw. S. 1305 – 1387.

Von den vielen Einflüssen, die seit dem Bekenntnis des Petrus auf die evangelische Kirche eingewirkt haben, möchte ich zwei Zeugen nennen: Martin Luther („Von der Freiheit eines Christenmenschen“, 1520) und Immanuel Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung?“ von 1784. Martin Luther stellt in seiner Schrift fest: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.“ Er sagt zugleich: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Jesus Christus hat uns frei gemacht von der Sünde und unserer Entfernung von Gott. Sind wir vor Gott aber frei, dann sind wir erst recht frei vor den Menschen. Zugleich aber sind wir dem dreifachen Liebesgebot verpflichtet und dienen Allen soweit wir können. Immanuel Kant ruft den Menschen seiner Zeit zu: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Auf diese beiden Erkenntnisse der Reformation (Martin Luther) und der Aufklärung (Immanuel Kant) stützt sich in der Tradition evangelischer Bekenntnisse auch die evangelische rheinische Landeskirche mit ihrer Kirchenordnung – KO - gewissermaßen ihrem „Grundgesetz“. Der erste Satz ihres Grundartikels 1 lautet: „Die evangelische Kirche im Rheinland bekennt sich zu Jesus Christus, dem Fleisch gewordenen Worte Gottes, dem für uns gekreuzigten, auferstandenen und zur Rechten Gottes erhöhten Herrn, auf den sie wartet.“

So einfach ist das mit dem Oberhaupt, oder wie wir sagen, dem Herrn, unserer Kirche also nicht. Sollte die Frage aber nicht auf diese göttliche Ordnung, sondern ganz banal auf die weltlich-irdische Hierarchie der kirchlichen Organisation zielen, dann ist die Frage falsch gestellt. Nach der Kirchenordnung gibt es kein Oberhaupt, sondern nur Menschen, die Leitungsfunktionen ausüben, die ihnen durch Wahl übertragen werden. Natürlich gibt es auch Funktionen in der Kirche, die keine Leitungsfunktionen sind. In diesem Sinne kann es auch eine hierarchische Ordnung geben.

Fassen wir zusammen:

1. Das Oberhaupt der christlichen Kirche ist der dreieinige Gott. Sie nennt Christus ihren Herren.
Das „Oberhaupt“ ist also nicht von dieser Welt.
2. Das Christentum ist eine Offenbarungsreligion. Das Verhältnis des Menschen zu Gott ist
demnach nicht demokratisch bestimmt, sondern von der Liebe Gottes geprägt.
3. Die Bibel ist das Zeugnis von Menschen über diesen Gott und sein reales Wirken in dieser Welt.
4. Seither hat es viele weitere Zeugnisse gegeben. Sie sind immer aus ihrer Zeit in ihre Zeit hinein
gesagt worden. Wir wissen oft nicht, was zeitgebunden ist oder heute noch gilt.
5. Den Kern der Botschaft Gottes hat Jesus Christus mit dem dreifachen Liebesgebot genannt.
Martin Luther und Immanuel Kant haben uns weitergeholfen, indem sie auf unsere Fähigkeiten
als mündige Christen hingewiesen haben.

Wie komme ich zu dieser Frage, die heute das Thema ist? Ich fand sie in einem Leserbrief aus unserer hiesigen Zeitung (KStA 142 v. 22.06.2005, Leverkusener Ausgabe). Sie hat mich nicht losgelassen. Es gab auch andere Leserbriefe. Da ging es um das Presbyterium, den Pfarrer, die Gemeinde, um Macht, Demokratie sowie Offenheit (Transparenz).

2. Die Gemeinde – wer ist das?

Übersicht:
2.1 "Gemeinde" in der Bibel
2.2 Freiheit eines Christenmenschen
2.3 Kirche heute
2.4 Kirchengemeinde und Demokratie

Im letzten Gemeindebrief beantwortete ich die Frage eines Gemeindemitglieds im Kölner Stadtanzeiger/Leverkusener Anzeiger „Wer ist das Oberhaupt unserer Kirche?“. Ich hoffe, diese Frage beantwortet zu haben. Heute wende ich mich einer anderen Frage zu. In Leserbriefen und Zeitungsberichten wurde im letzten Halbjahr viel von unserer Evangelischen Johanneskirchengemeinde Leverkusen-Manfort gesprochen, nicht immer mit diesem vollen Namen – meist ging es um „die Gemeinde“.

2.1 „Gemeinde“ in der Bibel

Jesus selbst spricht von seiner Gemeinde und meint damit die weltweite Gemeinde aller Glaubenden, die seinem Ruf folgen (Mt. 16,18). Dann aber spricht er von der Gemeinde im Sinne einer Ortsgemeinde (Mt. 18,17). Der Apostel Paulus spricht von der Gemeinde als einer Hausgemeinde (Röm. 16,5; 1. Kor. 16,19). In der Apostelgeschichte wird von der ersten Gemeinde gesprochen. In seiner Pfingstpredigt hatte der Apostel Paulus gesagt: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiß, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.“ Die Zuhörer fragen die Apostel, was sie denn tun sollen. Petrus sagt ihnen, sie sollten sich taufen lassen. Später heißt es dann, „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ Der Bericht endet mit folgenden Sätzen: „Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.“ (Apg. 2,36, 38, 42, 46 f). Nach diesen Zeugnissen ist die Gemeinde einmal die weltweite Gemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden, zum anderen die Gemeinschaft derer, die sich in diesem Glauben im Tempel versammeln und schließlich die, die sich in den Häusern einzelner Glaubensgeschwister treffen und beten und das Abendmahl feiern.

Die ersten Christen hielten sich an die jüdischen Gemeinden, trafen sich in den Synagogen – und wurden von Außenstehenden oft für eine jüdische Sekte gehalten. Das ist lange her. Es ist seither viel geschehen. Für unsere Zwecke will ich nur an die beiden Ereignisse erinnern, von denen ich im letzten Gemeindebrief sprach, der Reformation (Martin Luther) und der Aufklärung (Immanuel Kant).

2.2 Freiheit eines Christenmenschen

Martin Luther sprach von der Freiheit eines Christenmenschen (1520) und versicherte; Jesus Christus habe uns frei gemacht von der Sünde und von unserer Entfernung zu Gott. Sind wir aber frei vor Gott, dann sind wir erst recht frei vor den Menschen. Zugleich betont er die Bindung des Christen an das dreifache Liebesgebot (gegenüber Gott, gegenüber unserem Nächsten und gegenüber unseren Feinden, Mt. 22,37-40, Mk. 12,28-32, Lk. 10,25-28 und Mt. 5,43-47) und dass wir allen dienen soweit wir können. Immanuel Kant ruft den Menschen zu: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (1784).

2.3 Kirche heute

Das „Grundgesetz“ unserer Landeskirche, der Evangelischen Kirche im Rheinland – EKiR -, die Kirchenordnung – KO – geht im Kern auf diese Wurzeln zurück. Im Artikel 1 KO heißt es unter anderem „Gebunden an Jesus Christus, den Herrn unserer Kirche, und in der darin begründeten Freiheit erfüllt die EKiR ihre Aufgaben, wacht über die Lehre, gibt sich ihre Ordnungen und überträgt Ämter und Dienste. …. Sie trägt die Verantwortung für die lautere Verkündigung des Wortes Gottes und für die rechte Verwaltung der Sakramente, stärkt die Mitglieder für ein christliches Leben, ermutigt sie, ihre unterschiedlichen Gaben einzubringen und fördert das Zusammenleben der verschiedenen Gruppierungen. Sie hat darüber hinaus den Auftrag zur Seelsorge, zur Diakonie, zum missionarischen Dienst, zur Förderung der Kirchenmusik und zur christlichen Erziehung und Bildung.“ Dieser umfassende Auftrag gilt für die kleinste Gemeinde der EKiR ebenso wie für die Kirchenkreise und die Landeskirche selbst.

Die Gemeinde in der EKiR ist die Gemeinschaft ihrer Mitglieder in einem bestimmten Gebiet („Ortsgemeinde“, Art. 5 KO). Mitglieder der Kirchengemeinde sind alle in ihrem Bereich Wohnenden, die in einem evangelischen Bekenntnis getauft oder in sie aufgenommen worden sind, mit wenigen Ausnahmen (Art. 13 KO). Damit ist geklärt, unsere Kirchengemeinde ist eine Ortsgemeinde, zu der alle getauften Christen gehören, die in ihren Grenzen leben. Was sind die Grenzen unserer Gemeinde? In groben Zügen kann man sagen: Im Süden die Stadtgrenze zu Köln, im Westen die Autobahn A3, im Norden die Südgrenze von Schlebuschrath bis zur Güterbahnstrecke Morsbroich, im Osten entlang der Güterbahnstrecke bis zur Gustav-Heinemann-Straße, von dort entlang der Paracelsusstraße und dem Alten Grenzweg und Dünnwalder Grenzweg bis zur Stadtgrenze Köln. Damit ist die Johanneskirchengemeinde Leverkusen-Manfort umfassend beschrieben.

2.4 Kirchengemeinde und Demokratie

Wie aber steht es mit der so oft zitierten Demokratie in der Gemeinde? Sie beginnt bei den Gemeindemitgliedern. Sie tragen die Mitverantwortung für das Leben und den Dienst der Kirchengemeinde. Sie sind im Rahmen der KO an den Entscheidungen über Leben und Dienst beteiligt – Art. 14 KO -. Wie aber geschieht das? Zunächst hat jeder Konfirmierte das Wahlrecht, genauer ab 16 Jahre. Er kann das Presbyterium seiner Gemeinde wählen, gewählt werden dagegen kann er erst mit 18 Jahren. Gewählt wird aber nur in vierjährigem Abstand. Anders steht es mit der Gemeindeversammlung (Art. 35, Abs. 4 KO). Gemeindemitglieder und die Mitarbeitenden der Gemeinde bilden die Gemeindeversammlung, die vom Presbyterium jährlich mindestens einmal zu einer Versammlung einzuladen ist. In dieser Versammlung wird über die Arbeit der Kirchengemeinde sowie über die Gesamtlage der Kirche berichtet und beraten. Im einzelnen werden in der Gemeindeversammlung beraten Fragen der Gottesdienste, die Gesamtkonzeption gemeindlicher Aufgaben, Bauvorhaben, die Planung gemeindlicher Einrichtungen, bestimmte Planungen, die die Zukunft der Gemeinde betreffen und Fragen der Pfarrstellenbesetzung. Die Ergebnisse der Beratungen in der Gemeindeversammlung sind in einem Protokoll festzuhalten.

Das Presbyterium hat darüber zu beraten und die Gemeinde in geeigneter Weise über seine Entscheidungen zu unterrichten – Art. 35 KO -. Wir sehen, entscheiden kann die Gemeindeversammlung nicht. Das ist Aufgabe des Presbyteriums. Aber die Gemeindeversammlung kann zu einem Forum der Gemeinde werden, auf dem alle miteinander sprechen können – auch mit den Mitarbeitern. Hier ist der Ort, wo man Sorgen, Kritik, Hinweise und Anregungen äußern kann, die das Presbyterium zur Kenntnis nehmen muss. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Wenn es um Personalien geht, dann sollte sich das Gemeindemitglied an einen Presbyter persönlich wenden. Personalien sind nicht geeignet für die Erörterung in der Gemeindeversammlung, zum Schutz aller Beteiligten – auch der Gemeinde selbst.

Soweit die Rechtslage. Die demokratische Mitwirkung des einzelnen Gemeindemitglieds geschieht einmal durch demokratische Wahlen und durch die Beteiligung an den Erörterungen in der Gemeindeversammlung. Für manche ist unbefriedigend, dass die Gemeindeversammlung kein Beschlußrecht hat. Ihre Beschlüsse haben keine Gestaltungskraft. Das hat aber seine Gründe. Der Personenkreis der Gemeindeversammlung läßt sich nicht abschließend bestimmen. Deshalb ist das einzige Beschlußorgan der Gemeinde das Presbyterium.

3. Das Presbyterium (1) – ein unbekanntes Wesen?

Übersicht
3.1 Wahlen
3.2 Unbekanntes Wesen?
3.3 Bibel
3.4 Kirchenordnung - KO -
3.5 Mitglieder
3.6 Dienstgemeinschaft und Demokratie
3.7 Presbyterial-synodale Ordnung

3.1 Wahlen

„Die Wahlbeteiligung in Manfort lag bei 0 %.“ Glücklicherweise betrifft diese Aussage nicht eine politische Wahl, sondern die zum Presbyterium unserer Kirchengemeinde im Jahre 2004. Was politisch eine gewisse Katastrophe wäre, ist aber für den Bereich der rheinischen Landeskirche durchaus rechtens.

Wie kam es zu diesem auch für die Kirche ärgerlichem Ergebnis? Trotz aller Bemühungen von Pfarrer Berghaus, vieler Mitarbeiter und nicht zuletzt auch der Presbyter waren nur wenige Gemeindemitglieder bereit, sich zur Wahl zu stellen. Die erforderliche Zahl der Kandidaten wurde nicht erreicht. In einem solchen Fall sieht die rheinische Landeskirche die Möglichkeit vor, auf eine formale Wahl zu verzichten. Wenn das Presbyterium beschließt so zu verfahren, dann „gelten“ die Kandidaten mit Abschluss des Wahltages als gewählt. Rechtlich besteht dann eine Situation, in der die Presbyter wie gewählte Mitglieder des Presbyteriums zu werten und zu behandeln sind. So ist es dann geschehen. Warum das in der Kirche anders sein kann als im politischen Leben, werden wir heute auch zu klären versuchen.

3.2 Unbekanntes Wesen?

Zunächst aber die Frage: Ist das Presbyterium ein „unbekanntes Wesen“? Liest man die Leserbriefe, die im Leverkusener Anzeiger/Kölner Stadtanzeiger im zweiten Halbjahr 2005 über unsere Kirchengemeinde erschienen, kann man den Eindruck haben, dass das so ist. Pfarrer Christenn vom Kirchenkreis hat dann auch unter der Überschrift „Im Visier: Stichwort: Presbyterium“ einen Überblick über die einschlägigen Bestimmungen der Kirchenordnung gegeben (Gemeindebrief 3/2005). Bereits im ersten Jahr nach seiner Wahl hat Pfarrer Berghaus vor der Presbyterwahl am 20.02.2000 unter der Überschrift „Presbyter und Presbyterinnen“ auf die Bedeutung und die Aufgaben des Presbyteriums hingewiesen (Gemeindebrief 4/1999). Sind das aber die Fragen, die die Leserbriefschreiber aus unserer Gemeinde – und sicher auch andere Gemeindemitglieder – heute bewegen? Ich habe den Eindruck, hier müssten wir alle mehr erfahren – die Kenntnis der Kirchenordnung reicht da nicht aus.

3.3 Bibel

Die erste Frage, die man mir stellte, lautete: Was sagt die Bibel?

In der Apostelgeschichte des Lukas wird aus der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem berichtet, dass sich die Gemeindemitglieder so sehr auf die Verkündigung des Wortes Gottes konzentrierten, dass sie die Betreuung der Armen, besonders der griechischen Witwen und Waisen, vernachlässigten. Deshalb suchte man nach sieben Männern aus ihrer Mitte, „die einen guten Ruf haben, voll heiligen Geistes und Weisheit sind“. Man fand solche Männer und wählte sie. So entstand das Amt der sieben Armenpfleger (Apg 6,3-6). Um das Jahr 54 nach Christi Geburt schrieb der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Christen in Korinth, sie sollten sich denen unterordnen, die sich für den Dienst in der Gemeinde bereit finden, und all denen, die mitarbeiten und sich mühen (1. Kor. 16,16). Hier sind keine Armenpfleger gewählt, aber es haben sich langjährige und erfahrene Gemeindemitglieder freiwillig bereit gefunden, den Dienst zu tun und für die Gemeinde zu handeln. In einigen Landeskirchen werden diese Leute auch „Gemeindeälteste“ genannt.

„Erkennt solche Leute an!“ – ist der Schlusssatz des Apostels. Das sind die Vorläufer der heutigen Kirchenvorstände oder „Presbyterien“, ein Wort, das aus dem Griechischen kommt.

3.4 Kirchenordnung - KO -

Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR), eine der 24 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hat sich in ihrem „Grundgesetz“, der Kirchenordnung (KO), eine Gliederung gegeben. Ausgehend von der Gemeinde mit dem Leitungsorgan „Presbyterium“ über den Kirchenkreis mit dem Leitungsgremium „Kreissynode“, vertreten durch den „Kreissynodalvorstand“ bis hin zur Landeskirche mit dem Leitungsorgan „Landessynode“, vertreten durch die „Kirchenleitung“. Das Besondere dieser Struktur ist, dass die kirchliche Ordnung auf der Gemeinde aufbaut und sich stufenweise nach „oben“ entwickelt. Dieser Grundsatz wird die „presbyterial-synodale Ordnung“ unserer Landeskirche genannt. Vom Grundsatz her liegen alle Zuständigkeiten bei der Gemeinde, wenn man so will bei dem Beschlussorgan, dem Presbyterium. Soweit eine Gemeinde bzw. die Gemeinden Aufgaben erfüllen müssen, die über ihre Möglichkeiten hinausgehen, treten die Kirchenkreise ein. Reicht auch deren Kraft nicht aus, ist die Landeskirche zuständig. Natürlich gibt es darüber hinaus auch originäre Aufgaben von Kirchenkreis und Landeskirche.

An dieser Stelle ist das „Subsidiaritätsprinzip“ zu nennen, wonach dem Einzelmenschen das, was er aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf. Die Gesellschaft, insbesondere der Staat, sollen nur helfend und unterstützend (= subsidiär) dann und dort eingreifen, wo diese Kräfte des Einzelnen nicht ausreichen.

Dieser Grundsatz wurde allgemein formuliert von Papst Pius XI. (Enzyklika „Über die gesellschaftliche Ordnung“, bekannter unter ihrem Anfang „Vierzig Jahre sind verflossen …“, lat. „Quadragesimo anno“, 15.05.1931, Ziff. 78 – 90). In diesem Grundsatz schlägt sich Luthers “Freiheit eines Christenmenschen” ebenso nieder wie Kants Aufruf “Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!” Auch in der Rechtswissenschaft hat dieser Grundsatz Gestalt bekommen (Artikel 28 und 23 Grundgesetz, § 2 Bundessozialhilfegesetz und auch im Verfassungsentwurf der Europäischen Union, Art. I-11, Abs. 3).

3.5 Mitglieder

Wir haben die Wurzeln und die Stellung des Presbyteriums in der Ordnung der EKiR kennen gelernt. Wer gehört aber nun zum Presbyterium? Zunächst einmal gehören die Presbyter dazu, einschließlich eines Presbyters aus dem Kreis der Mitarbeiter. Aber kirchenrechtlich sind die in der Gemeinde tätigen Gemeindepfarrer von Amts wegen ebenfalls Mitglieder des Presbyteriums, also „geborene“ Mitglieder. Sie sind allerdings ebenfalls gewählt, und zwar vom Presbyterium. Für ihre Wahl gilt die eingangs beschriebene Ausnahme nicht. Jeder Pfarrer wirkt genauso an den Beschlüssen des Presbyteriums mit wie jeder Presbyter auch. Auf die besondere Stellung des Pfarrers gehe ich in einem späteren Artikel noch ein. Heute ist wichtig, dass das Presbyterium für seine Gemeinde die Verantwortung trägt für die lautere Verkündigung des Wortes Gottes, für die rechte Verwaltung der Sakramente und für die Seelsorge und Diakonie, für den missionarischen Dienst, für die Förderung der Kirchenmusik sowie für die christliche Erziehung und Bildung in der Gemeinde. Das Presbyterium stellt Mitarbeiter ein und übt die Dienstaufsicht aus. All diese Aufgaben bündeln sich in der Person der/des Vorsitzenden. Das kann ein/e Pfarrer/in sein oder ein/e Presbyter/in. Wichtig ist, dass alle gemeinsam die Verantwortung für die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben tragen. Dazu gehört auch die Kontrolle über Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung wie die Diakonie in der Gemeinde und all die anderen Aufgabengebiete. Da scheint ein Missverständnis vieler Briefschreiber zu liegen: Der Pfarrer ist nicht die Gemeinde! In der Regel ist er auch froh, dass das so ist. Doch darüber das nächste Mal mehr, wenn es um das Wirken des Presbyteriums geht.

Zwei Fragen bleiben noch zu klären: Zunächst: Wie kann etwas in der Kirche weniger schädlich sein, das für den Staat großen Schaden anrichtet?

3.6 Dienstgemeinschaft und Demokratie

Wenn wir die bisher im Gemeindebrief abgedruckten Artikel nachlesen, stellen wir fest, dass das Verhältnis Gottes zu den Menschen nicht auf demokratischer Grundlage beruht, sondern auf der Liebe, die Gott den Menschen zuwendet. Die Kirche spricht von der Dienstgemeinschaft, in der die Christen stehen, wenn sie Gottes Liebe in dieser Welt verbreiten. Demokratie als Staatsform und demokratische Grundregeln in der Gesellschaft haben sich bisher als die geeignetsten Formen zur Lösung der Probleme im Zusammenleben der Menschen in unserer Zeit erwiesen. Wenn sie außer Kraft gesetzt werden, nimmt die Gesellschaft Schaden. Das gilt insofern auch für das Zusammenleben der Menschen in der Kirche. Anders ist es, wenn Gottes Liebe ins Spiel kommt. Dann kann man wohl hoffen, dass menschliche Unvollkommenheit, wie z. B. mangelnde Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, Wahlmüdigkeit, Trägheit der Herzen, aufgewogen werden durch das hohe Maß an Einsatzbereitschaft anderer. Dann verstehen wir die Regelung des Kirchenrechts und können uns wohl auch damit anfreunden. Die beste Lösung ist es nicht, denn jedes Recht, das in einer demokratischen Gesellschaft nicht in Anspruch genommen wird, schadet der Gesamtheit.

3.7 Presbyterial-synodale Ordnung

Als zweite Frage stellt sich die Zukunft des presbyterial-synodalen Aufbaus unserer Landeskirche. Er ist neuerdings wieder einmal in Frage gestellt – und zwar mit einleuchtenden Gründen. Immer weniger Gemeinden kommen mit ihren Kräften über die Runden. Was läge näher, eine rein synodale Ordnung anzustreben. Ich habe Bedenken dagegen. Gemeinden können Zweckverbände bilden, sie können sich zusammenschließen – es gibt mancherlei Möglichkeiten, Kräfte zu bündeln, die als Einzelkraft zu schwach sind. Die presbyterial-synodale Ordnung aufzugeben würde nach meiner Auffassung aber einen Rückschritt bedeuten auch in der demokratischen Legitimation unserer Kirche im 21. Jahrhundert.

4. Das Presbyterium (2)

Gemeindeleitung (1)

Übersicht
4.1 Ohne Pfarrer - die Gemeide sind wir!
4.2 Das Presbyterium im Jahre 1993
4.3 Was im Jahre 1993 geschah
4.4 Aufgaben
4.5 Gemeindeleitung

4.1 Ohne Pfarrer - die Gemeinde sind wir!

Im Januar des Jahres 1993 kommt das Presbyterium der Johanneskirchengemeinde Leverkusen-Manfort zu seiner ersten Sitzung des Jahres zusammen - das erste Mal ohne Pfarrer Szyska, ohne seinen Vorsitzenden seit 31 Jahren. Der Superintendent Dr. Witschke hat Pfarrer Fritsche/Schlebusch beauftragt, als Pfarrer Mitglied des Presbyteriums in Manfort zu sein, bis ein neu gewählter Pfarrer diese Stelle einnehmen kann (Art. 115 Abs. 6 KO a.F.; Artikel 21 Abs. 5 KO). In dieser Sitzung stellt sich Pfarrer Fritsche als neues Mitglied des Presbyteriums vor und erklärt, er verstehe diesen Auftrag als Berater und werde bei streitigen Abstimmungen nicht die entscheidende Stimme abgeben.

Aus dem Presbyterium kommt nun die Forderung: „Jetzt muss der Superintendent einen Vikar oder Pfarrer bestellen, der hier die pfarramtlichen Aufgaben übernimmt!“ - Nach einiger Zeit finden wir zu der Erkenntnis: „Wir sind die Gemeinde. Wir müssen die Arbeit selbst übernehmen.“ Den meisten von uns ist dieser Gedanke unheimlich. In 31 Jahren hatte Pfarrer Szyska dem Presbyterium immer gesagt, was in der Gemeinde geschah, was wichtig war und was das Presbyterium entscheiden sollte. Und nun sollen wir das alles selbst in eigener Verantwortung tun? - Wie kommen wir nun zu diesem überraschenden Ergebnis? Die Presbyter sind sich einig, es muss etwas anders werden als bisher. Was aber und wie da anders werden sollte, wussten die meisten wohl nicht. Aber ein Grundverständnis ist den meisten von uns klar. Heute sage ich es mit einigen Sätzen von Martin Luther:

* Erstens ist es nötig, dass man weiß, wo und wer die christliche Gemeinde ist. Sonst treiben unter dem Namen einer christlichen Gemeinde Menschen ihr menschliches Geschäft.
* · ….. das kann niemand leugnen, dass jeder Christ Gottes Wort hat und von Gott gelehrt und zum Priester gesalbt ist. (Martin Luther „Dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, über alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein –und abzusetzen, aus der Schrift begründet und nachgewiesen“, 1523)

Im „Grundgesetz“ unserer Landeskirche, der Kirchenordnung (KO) heißt es ganz knapp: „Das Presbyterium leitet die Kirchengemeinde“ (Art. 15 Abs. 1 KO n. F.). Wir haben nicht in Büchern nachgeschlagen oder Gesetze gelesen, wir finden in Kenntnis dieser Sachverhalte von uns aus zu der Erkenntnis, dass wir selbst handeln können und dürfen.

4.2 Das Presbyterium im Jahre 1993

Es bestand aus 9 Personen, d. h. Pfarrer Fritsche und 8 PresbyterInnen, darunter einem Mitarbeiterpresbyter, das ist ein zum Mitglied des Presbyteriums gewählter Mitarbeiter. Das Presbyterium wählte zum ersten Mal einen Laien zum Vorsitzenden und Pfarrer Fritsche zum stellvertretenden Vorsitzenden. Wir wählten den Kirchmeister und einen weiteren Presbyter, der ihm zur Seite stand.

4.3 Was im Jahre 1993 geschah

Wie ging das Presbyterium mit den Aufgaben um, die sich ihm jetzt stellten? Zunächst verschafft es sich Ein– und Überblick, wie die Gemeinde strukturiert ist und wie sie arbeitet. Jeder kennt seinen eigenen Arbeits– und Wirkungsbereich, aber der Überblick und der Einblick in die der anderen fehlt oft. Die pfarramtlichen Aufgaben werden, soweit zulässig und möglich, von den beiden Predigthelfern wahrgenommen. Der Konfirmandenjahrgang wird von Pfarrer Szyska bis zur Konfirmation fortgeführt, Beerdigungen von Pfarrern benachbarter Kirchengemeinden übernommen. Im Zusammenhang mit der Renovierung des Pfarrhauses muss unter Wahrung bestehender Bausubstanz ein Standard erreicht werden, der die Wohnnutzung auch im kommenden Jahrtausend noch attraktiv macht. Der Westflügel des Gemeindezentrums wird umgebaut. Dort gibt es jetzt eine Behindertentoilette, eine gut ausgestattete Teeküche, einen Clubraum (ehemals Gemeindebücherei) sowie ein Pfarrbüro mit angemessen ausgestattetem Computerarbeitsplatz. In der Vakanzzeit hat die Gemeinde die Goldkonfirmation sowie das Gemeindefest ohne wesentliche Einschränkungen gefeiert. Zu all dem kommt nun die Vorbereitung und Durchführung der Wahl des neuen Pfarrers. Für einen Über– und Durchblick werden Unterlagen über die Struktur unserer Gemeinde, über die Gemeindearbeit und die wichtigsten Anforderungen an einen neuen Gemeindepfarrer zusammengestellt. Die Stelle wird neu ausgeschrieben. Auswahl der Bewerber, Vorstellungsgespräche, Probepredigten und schließlich die Wahl finden in der Pfarrvakanz statt. Dies ist ein erster Erfahrungsbericht über die Arbeit eines Presbyteriums.

4.4 Aufgaben

Was gehört nun grundsätzlich zu den Leitungsaufgaben eines Presbyteriums?

Zunächst trägt es die Gesamtverantwortung für die Erfüllung des kirchlichen Auftrages der Gemeinde (lautere Verkündigung des Wortes Gottes, rechte Verwaltung der Sakramente, Stärkung der Gemeindemitglieder für ein christliches Leben, Seelsorge, Diakonie, missionarischen Dienst, Förderung der Kirchenmusik, zur christlichen Erziehung und Bildung, Förderung des christlich-jüdischen Gesprächs und der ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen und Übernahme von Diensten im öffentlichen Leben, Art. 1 KO). In Erfüllung dieses Auftrags entscheidet das Presbyterium über

· Die Gesamtkonzeption gemeindlicher Arbeit
· Ort, Ziel, Zeit und Zahl der Gottesdienste
· Ausstattung der gottesdienstlichen Räume
· Mehrzahl der Kollektenzwecke
· Zulassung zur Konfirmation
· Mitgliedschaftsrechte
· Pfarrstellenbesetzung
· Errichtung von Stellen für Mitarbeiter
· Festsetzung des Haushaltsplans, der Jahresrechnung und über die Verwaltung des Vermögens
· Gemeindesatzungen (Art. 16 KO)

Käme jetzt jemand zu Ihnen und bäte Sie, das Ehrenamt eines Presbyters oder einer Presbyterin zu übernehmen, wie würden Sie dann entscheiden? „Das kann ich nicht,“ „Ich habe doch keine Ahnung von dem allen!“, „Ist in der Gemeinde nicht jemand, der mehr geeignet ist als ich?“ - Nach meiner Erfahrung würde so oder ähnlich Ihre Antwort lauten. Es sei denn, Sie haben für ein Ehrenamt in der Kirche keine Zeit - neben all Ihren anderen Verpflichtungen.

Sie dürften mit alldem recht haben. Aber was geschieht dann mit unserer Gemeinde, mit unserer Kirche?

Wie schrieb Martin Luther? „Es ist nötig, dass man weiß, wo und wer die christliche Gemeinde ist. Sonst treiben Menschen unter dem Namen einer christlichen Gemeinde ihr menschliches Geschäft.“ Das gilt auch für die Mitglieder des Presbyteriums, wenn dieses Amt nicht von engagierten Gemeindemitgliedern übernommen wird.

Es gibt zwei Erfahrungen, die Ihnen helfen können. Sie sind nicht allein. Das Presbyterium trägt als Ganzes die Verantwortung. Wenn Sie erkennen, worum es grundsätzlich bei einer Entscheidung geht, dann können Sie sich im Zweifelsfall der Entscheidung derer anschließen, die in diesem Fall mehr Übersicht und Sachkenntnis haben als Sie. Zum andern haben alle Presbyterinnen und Presbyter bisher die Erfahrung gemacht, dass sie in der Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Presbyterium viel Neues kennen gelernt und Erfahrungen gesammelt haben. Sie haben daraus gelernt und sind in ihrem Urteil sicherer geworden.

Außerdem kann das Presbyterium einen Gemeindebeirat wählen (Art. 34 KO). Damit gewinnt es einen Beraterkreis aus erfahrenen Gemeindegliedern, der unabhängig von den am Verfahren Beteiligten Ratschläge erteilen und Vorschläge unterbreiten kann. Notfalls kann er auch vermitteln. Es liegt am Presbyterium, sich diese Möglichkeiten frühzeitig zu verschaffen.

Ich muss zugeben, dass die Presbyterinnen und Presbyter, die im Jahre 2004 ihr Amt übernahmen, von ihrer Kirche und auch persönlich von vielen ihrer Mitchristen zutiefst enttäuscht und in Teilen im Stich gelassen wurden. Viele wurden auch persönlich durch das Verhalten einzelner sehr verletzt. Darüber spreche ich später noch - auch einer solchen traurigen Erfahrung kann man in Teilen vorbeugen.

4.5 Gemeindeleitung

Worin besteht nun die besondere Aufgabe des Presbyteriums in seiner Leitungsfunktion?

Leitungsverantwortung

Leitung verlangt immer Übersicht und Weitsicht. Sie muss in der Lage sein, Ziele zu erkennen, zu beschreiben und zu einem Ganzen zusammenzuführen - nicht zuletzt, dies alles dann nach innen und außen überzeugend zu vermitteln.

Leitung verlangt darüber hinaus, realistische Wege aufzuzeigen, wie diese Ziele erreicht werden können.

Schließlich verlangt Leitung die Umsetzung all dessen in konkretes Handeln.

Diese Anforderungen an die Leitungsfunktion finden wir überall in den menschlichen Gesellschaften. Bei uns in Deutschland wird das besonders deutlich in der Politik und in der Wirtschaft - und das auf allen Ebenen.

In der Kirchengemeinde muss all dies in der doppelten Verantwortung vor Gott und in der Welt geschehen. Hier liegt oft der zentrale Schnittpunkt, an dem viele Gemeindemitglieder als Presbyter nicht mehr weiterkommen. Sie möchten gerne das Liebesgebot Gottes erfüllen - im Einzelfall vielleicht sogar das der Feindeliebe. Das aber, was Kirche in der Welt zugemutet wird, ja selbst das, was sie sich selbst im Umgang mit ihren Mitglieder zumutet - das können sie nicht nachvollziehen. Sie haben damit recht. Es handelt sich um einen Zwiespalt, der nicht restlos aufzulösen ist Der Mensch ist Gottes Ebenbild (1. Mose 1,27), aber nicht Gott selbst (1. Mose 3,22 und 23). Er ist ein unvollkommenes Wesen – und unvollkommen sein Tun. Unvollkommen ist deshalb auch die Kirche. Also muss man sich auf diese Unvollkommenheit einlassen - aber in einem Maße, das wir selbst in christlicher Verantwortung bestimmen. Das geschieht bei jedem auf andere Weise. In der Gemeinschaft eines Leitungsorgans muss man einen Grundkonsens finden, auf dem die Entscheidung im Alltag Bestand hat.

„Lassen Sie das mal meine Sache sein. Die Verantwortung trage ich!“ – Kennen Sie solche oder ähnliche Aussprüche? Gelegentlich habe ich den Eindruck, oft wissen diese Menschen nicht, wovon sie reden. Verantwortung zu tragen bedeutet, die wesentlichen Tatsachen zu kennen, insbesondere über Missstände und Fehlentwicklungen rechtzeitig informiert zu sein. Es gehört dazu, Entscheidungen zu treffen und diese sachgerecht und für andere nachvollziehbar zu begründen. Ganz wichtig ist, Fehlentscheidungen als solche zu erkennen, nach Möglichkeit zu korrigieren und vor allem, in Zukunft zu vermeiden. Verantwortung zu tragen heißt nicht, bei schweren Fehlern davonzulaufen, sondern die Folgen selbst zu tragen. Im äußersten Fall kann das bedeuten von einem Amt zurückzutreten.

5. Das Presbyterium (3)

Gemeindeleitung (2)

Übersicht
5.1 Konkretes Handeln
5.1.1 Gesamtkonzeption
5.1.2 Kirchmeister
5.2 Presbyter un Pfarrer - ein Team?

Heute soll es um das konkrete Handeln des Presbyteriums gehen.

5.1 Konkretes Handeln
5.1.1 Gesamtkonzeption

Wir wissen aus dem letzten Gemeindebrief, dass an erster Stelle der Aufgaben einer Gemeinde die „Gesamtkonzeption gemeindlicher Arbeit“ steht (Art. 7 Abs. 4 Buchst. a); 16 KO). Am 06.12.1999 hat das Presbyterium ein Leitbild für unsere Gemeinde beschlossen. Sein erster Entwurf wurde im Gemeindebrief 4/1998 veröffentlicht („Die Manforter Karawanserei“). Seine Endfassung finden wir im „Manforter Mosaik“ (Leverkusen, 2004, S. 24 f) zusammen mit einem Nachtrag 2001. Das sind gewissermaßen die Ziele für unsere Gemeindearbeit. Wie aber können diese erreicht werden, was sind die Wege dahin?

Am 24.02.2003 beauftragte das Presbyterium einen Arbeitskreis, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Das Ergebnis seiner Bemühungen ist der „Bericht zu Gemeindeentwicklung und Finanzstruktur der evangelischen Johanneskirchengemeinde Leverkusen-Manfort mit Ausblick bis zum Jahre 2015“, Kurztitel „Gemeindeentwicklungsbericht – GEB – " (Leverkusen, 2.A. Oktober 2004, 75 S. mit Anlagen), der zum 01.04.2004 dem Presbyterium vorgelegt wurde und seit Oktober 2005 allen Mitarbeitern – und ich hoffe, auch interessierten Gemeindemitgliedern – in der Helferbücherei zur Einsicht bereitsteht. Am 19.04.2004 nimmt das Presbyterium diesen Bericht zur Kenntnis und beschließt, Gespräche mit dem Presbyterium der Gemeinde Schlebusch zu führen (Beschluss 41/2004).

Wie kommt das Presbyterium zu diesem Beschluss?

Die Gemeindegliederzahl schrumpft. Bei Gründung unserer Gemeinde im Jahre 1968 hatten wir 4.800 Gemeindemitglieder, 2005 waren es nur noch 1.715. Das ist ein Rückgang von 59 %. Im Stadtteil Manfort lebten im Jahre 2004 6.227 Einwohner, davon 38,2 % Katholiken, 20,8 % Evangelische und 41 % ohne oder sonstiger Konfession, darunter vermutlich 6 % der Einwohner als Muslime.

Der Gemeindebericht untersucht Einnahmen und Ausgaben sowie die Differenz in den Jahren 2000 und 2002. In allen Jahren übersteigen die Ausgaben die Einnahmen. Die Differenz lässt sich noch aus Rücklagen decken. Die Einnahmen gingen in diesem Zeitraum von 553.648 EUR auf 519.266 EUR zurück, das sind 6,21 %. Die Ausgaben fielen von 659.883 auf 611.416 EUR, das ist ein Rückgang um 7,34 %. Die Differenz betrug im Jahre 2000 106.235 EURO, 2002 waren es noch 92.150 EURO, das ist ein Rückgang von sogar 13,26 %. Einmal wird an diesen Zahlen deutlich, dass sich das Presbyterium bemüht hat, zu sparen. Dann aber muss man feststellen, dass Steuern und Zuschüsse in Zukunft mit Sicherheit deutlich sinken werden, während die Ausgaben nur begrenzt gesenkt werden können, zum Teil voraussichtlich sogar steigen werden. Also wird sich auch die Differenz zwischen beiden deutlich erhöhen. Die Grenzen der Finanzierbarkeit sind absehbar.

Die Gemeindegliederzahl ist im gleichen Zeitraum von 1.876 auf 1.845 gesunken. Wir wissen heute, dass dieser Trend anhält.

Dieser Entwicklung stellt der Arbeitskreis die Aufgaben der Gemeinde gegenüber mit biblischer Grundlegung, öffentlichrechtlichen und kirchenrechtlichen Grundlagen.

Er bewertet diese Analyse und Entwicklung schlägt der Arbeitskreis vor, dass die Johanneskirchengemeinde sich mit der Gemeinde Schlebusch zu einer neuen Gemeinde Schlebusch zusammenschließt.

Die vom Presbyterium beschlossenen Gespräche haben stattgefunden. Der Kreissynodalvorstand hat sich eingeschaltet. Dennoch kamen die Gespräche zum Stillstand. Einen Bericht über den Weg der Gemeinde zur Gesamtkonzeption habe ich im Juli 2005 geschrieben. Er hat als Kopie im Vorraum der Kirche ausgelegen und kann von interessierten Mitarbeitern und Gemeindemitgliedern beim Gemeindebüro erbeten werden.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Überlegungen und Arbeiten, die das Presbyterium für die Gemeinde im Zusammenhang mit der Gesamtkonzeption angestellt hat. Nun ist die Gemeinde selbst, also die Gemeindeversammlung herausgefordert, sich zu äußern.

5.1.2 Kirchmeister

Im Amt des Kirchmeisters oder der Kirchmeisterin ist die weltliche Verantwortung des Presbyteriums in einer Person gebündelt. Das Amt kann auf mehrere Personen verteilt werden, z. B. Finanzkirchmeister, Baukirchmeister oder Diakoniekirchmeister. In diesem Fall muss aber festgelegt werden, wer die Koordination hat und verantwortlich im Sinne der Kirchenordnung (KO) zeichnet. Entscheidend ist, dass Kirchmeister ausschließlich Aufsichtsfunktionen ausüben. Durchführung und Verantwortung im Einzelfall liegen beim Mitarbeiter.

Das Amt umfasst in erster Linie Aufsicht und Gesamtverantwortung für das Haushalts- und Kassen- und Haushaltswesen der Gemeinde, die Grundstücke, Gebäude, Geräte und andere Vermögensstücke. Außerdem gehört zum Aufgabenbereich die Sorge für die Wahrnehmung diakonischer Aufgaben und die Begleitung der beruflich Mitarbeitenden (Art. 22 Abs. 2 KO).

In dringenden Ausnahmefällen kann der oder die Vorsitzende mit dem oder der Kirchmeister/-in Beschlüsse anstelle des Presbyteriums fassen, auch überplanmäßig Gelder bereitstellen, „Notbeschluss“, muss diesen aber vom Presbyterium in der folgenden Sitzung bestätigen lassen (Art. 29 KO).

Näheres zu beschreiben fällt schwer, weil dazu zuviel Einzelheiten beschrieben werden müssten oder ich mich in Allgemeinheiten erschöpfe. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich zwei Ereignisse wiedergeben, die Schlaglichter auf die Situation eines Kirchmeisters und einen Eindruck von seiner Arbeit geben können. Beide liegen schon einige Jahrzehnte zurück. - Der Pfarrer war in Kur. Bei Bauarbeiten am Gemeindezentrum sollten die Treppenstufen vorn am Aufgang erneuert werden. Man hatte mir vorher keine Einzelheiten mitgeteilt. Als ich die ersten Steine sah, erschienen sie mir viel zu hell, fast weiß. Ich befragte einen Architekten, der zugleich Kirchmeister der evangelischen Kirchengemeinde Am Bielert war. Schließlich entschied ich mich zu den dunklen Steinen, die heute die Treppenstufen des Aufgangs bilden. Man fragte mich damals, „dürfen Sie das?“ Natürlich durfte ich das. Ich war der zuständige Kirchmeister, die Auswahl der Steine war nicht abgesprochen. - Eine junge Frau sollte eingestellt werden und hatte wohl ihre Probezeit hinter sich. Nun sollte entschieden werden, ob sie eingestellt werden sollte oder nicht. Der Vorschlag des Pfarrers lautete mit guten Gründen versehen, sie nicht einzustellen. Die Frau war anwesend. Sie konnte aber die Begründung des Pfarrers nicht entkräften. Wir beschlossen, wie der Pfarrer vorgeschlagen hatte. Einige Zeit später sagte mit der Pfarrer einer benachbarten Gemeinde, es sei unrecht gewesen von uns, sie gehen zu lassen. Hier frage ich mich, ob ich als Kirchmeister vor dem endgültigen Beschluss des Presbyteriums nicht hätte das persönliche Gespräch mit der Frau suchen sollen. Aber selbst dann, wenn das etwas hätte ändern können, wäre der Pfarrer ihr Dienstvorgesetzter geworden. Aus der Zusammenarbeit wäre wohl nicht viel Gutes herausgekommen.

Diese Fragen können einem Kirchmeister bei seiner Arbeit begegnen. So vielfältig sein Aufgabengebiet ist, so vielfältig sind die Fragen. So ist z. B. ein Gebiet während meiner Amtszeit als Kirchmeister noch kaum in Erscheinung getreten, die Computerisierung, Digitalisierung einschließlich Internet mit all ihren Problemen in der Praxis, sowie dem Datenschutz (Art. 24 letzter Satz KO). Sie kommen noch zu dem allen hinzu.

5.2 Presbyter und Pfarrer – ein Team?

„Herr Böhme, der Pfarrer lügt ja! Das hätte ich nie geglaubt.“ Meine Antwort: „Der Pfarrer lügt nicht, er glaubt das, was er sagt.“ Diese Erkenntnis stammte in dieser Prägnanz nicht von mir, sondern von dem damaligen Organisten, der vor einigen Jahrzehnten bei uns arbeitete. Man lügt, wenn man etwas behauptet, von dem man weiß, dass es nicht stimmt. Wie erklärt sich die Erschütterung dieser Presbyterin? Sie war jahrelang ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Gemeinde und für den Pfarrer und sie hat mit ihm zusammengearbeitet. Nun war sie vor einigen Jahren in das Presbyterium gewählt worden und lernt den Pfarrer von einer für sie ganz neuen Seite kennen.

Für ein Gemeindemitglied ist der Pfarrer in erster Linie der Seelsorger, dem man sich voller Vertrauen öffnet und dessen Rat man gerne folgt – nicht selten auch in allen Lebensfragen. Mit der Wahl in das Presbyterium ändert sich das Verhältnis. Aus dem rein persönlichen Verhältnis eines Gemeindemitgliedes zu seinem Seelsorger, der zugleich die Kirche vertritt, wird nun ein dienstliches Verhältnis zwischen zwei gleichberechtigten Partnern im Presbyterium, die beide ihre Kirche vertreten. Nun trägt man als Presbyter die gleiche Verantwortung für die Gemeinde wie der Pfarrer als Mitglied des Presbyteriums. Jetzt muss das Gemeindemitglied als Presbyter wie als Christ frei vor Gott und den Menschen seinen eigenen Verstand einsetzen, notfalls auch gegen den Pfarrer.

„Herr Böhme, das war gestern aber eine deprimierende Predigt unseres Pfarrers – ausgerechnet zu Weihnachten! Es ging nur um Raketen, um Krieg und Frieden, um Klagen und Drohungen. Eine Heilsbotschaft gab es nicht.“ – Auch in solchen Fällen soll das Presbyterium reagieren und handeln. Der Vorfall ereignete sich zur Zeit des Nato-Doppelbeschlusses, als es um die Aufstellung zusätzlicher Atomsprengköpfe ging. Ich konnte den Pfarrer verstehen. Dennoch wäre ein Gespräch mit ihm sinnvoll gewesen.

Der Vorgang blieb aber – im Ganzen gesehen und in dieser Krassheit – ein Einzelfall. Ich habe nichts unternommen. Natürlich gehört es zu den Amtspflichten eines Pfarrers, das Evangelium öffentlich zu verkünden (Art. 49 Abs. 1 KO). Er und jeder Presbyter trägt die Verantwortung für die lautere Verkündigung des Wortes Gottes (Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 KO). Das Evangelium ist eine frohe Heilsbotschaft (Lk. 2, 10-12; Joh. 3,16).

Andererseits ist der Pfarrer wie jeder Presbyter mitverantwortlich für das Handeln seiner Kirchengemeinde in dieser Welt, für die Finanzwirtschaft, für die Personalführung und auch für die ordnungsgerechte Verwaltungsführung, insbesondere dann, wenn er den Vorsitz im Presbyterium innehat.

Die Presbyter sind also nicht einfach Mitarbeiter des Pfarrers, sie sitzen in Augenhöhe mit ihm im Presbyterium, tragen die gleiche Verantwortung als Mitglieder des Presbyteriums. Sie sind als solche verpflichtet, dem Pfarrer / der Pfarrerin bei der Erfüllung seiner/ihrer schwierigen Aufgabe – mehr darüber in einem späteren Gemeindebrief – zu helfen und ihn/sie zu unterstützen. Dazu gehört dann, wenn es nötig ist, auch eine konstruktive Kritik und notfalls klare Opposition. Ich habe im letzten Gemeindebrief geschrieben, wie eine Zusammenarbeit im Presbyterium möglich ist (Gemeindebrief 3/2006, S. 21). Nur so kann aus der Zusammenarbeit ein Team entstehen, dessen Arbeit eine tragfähige Grundlage für die Gemeindearbeit in der Zukunft bildet.

6. Das Presbyterium (4)

Übersicht
6.1 Mit Pfarrer - sind wir noch die Gemeinde?
6.2 Der Bevollmächtigtenausschus
6.2.1 Rechtsgrundlage
6.2.2 Unsere Gemeinde - Bevollmächtigtenausschuss 2006
6.3 Unsere Gemeinde 2006 - 2008
6.4 Presbyterium und Gemeindeversammlung - demokratische Grundlage unserer Kirchenverfassung
6.5 Ausblick 2007/2008 - Das neue Presbyterium
6.6 Kraftquellen für Presbyter
6.7 Was bleibt?

6.1 Mit Pfarrer – sind wir noch die Gemeinde?

Hieß es zu Beginn: Ohne Pfarrer – die Gemeinde sind wir!, wird es nun heißen: Mit Pfarrer ist unsere Gemeinde erst komplett! Die Gemeinde kann auch ohne Pfarrer bestehen und überleben. Das ist in Notzeiten wiederholt bewiesen worden.

Doch erst die Teamarbeit im Presbyterium macht die Gemeindeleitung vollständig. Aber hier ist in besonderer Weise wichtig, dass es nicht nur entscheidend ist, was am Ende herauskommt, sondern fast ebenso wichtig ist es, wie die Ergebnisse der Presbyteriumsarbeit zustande kommen.

6.2 Der Bevollmächtigtenausschuss
6.2.1 Rechtsgrundlage

Für den Fall, dass ein Presbyterium auf Dauer beschluss- oder arbeitsunfähig wird, ist durch den Kreissynodalvorstand dies festzustellen. Dann hat er zur Leitung der Gemeinde Bevollmächtigte zu bestellen, die die Neubildung des Presbyteriums durchzuführen haben. Das kann auch außerhalb der vierjährigen Wahlperiode geschehen (Art. 38 KO). Demnach übt der Bevollmächtigtenausschuss die volle Funktion des Presbyteriums aus, auch bis zur Neubildung des neuen Presbyteriums. Im günstigen Fall werden Gemeindemitglieder bestellt. Finden sich aber nicht genügend geeignete Gemeindemitglieder, dann müssen geeignete Kräfte aus anderen Gemeinden zu dieser Aufgabe herangezogen werden.

Das ist für alle Beteiligten unangenehm! Die Gemeindeglieder fühlen sich nur zu leicht bevormundet und die Bevollmächtigten sehen sich gezwungen, in den inneren Angelegenheiten einer fremden Gemeinde Entscheidungen zu treffen, die andere, nicht sie selbst betreffen, und deren Konsequenzen wiederum andere zu tragen und vielleicht auch zu verantworten haben, z. B. das neu gebildete Presbyterium der Evangelischen Johanneskirchengemeinde Leverkusen-Manfort.

6.2.2 Unsere Gemeinde - Bevollmächtigtenausschuss 2006

Der Bevollmächtigtenausschuss für unsere Gemeinde ist im Gemeindebrief 3/2006 (S. 4 f) vorgestellt worden. Für die Gemeinde dürften noch folgende Informationen wichtig sein: Sie sehen, dass dem Bevollmächtigtenausschuss vier Mitglieder des Kreissynodalausschusses angehören, ein Kreispfarrer, zwei Mitglieder des Schlebuscher Presbyteriums, zwei Gemeindemitglieder unserer Gemeinde und ein Gemeindemitglied aus Steinbüchel sowie Pfarrer Berghaus mit beratender Stimme. Das bedeutet, dass die Mitglieder des Kreissynodalvorstands nicht nur Familie, Beruf, ihre eigene Gemeinde und die Belange des Kirchenkreises voll abdecken müssen, sondern auch die der Gemeinde Manfort. Da geht es ja nicht nur um technische und Terminfragen. Es geht ja auch um grundsätzliche Fragen. In unserem Falle kommt noch etwas hinzu, das jedes Gemeindemitglied wissen sollte. Die gesamte Leitung des Kirchenkreises hat die Leitung der Gemeinde Manfort übernommen, und zwar Superintendent Loerken als Vorsitzender und Synodalassessor Bach als sein Vertreter. Nur Kirchmeister ist noch Herr Richmann. Er wird begleitet vom „Kirchmeister“ des Kirchenkreises, Herrn Berger, und dem Kirchmeister unserer Nachbargemeinde Leverkusen-Schlebusch, Herrn Walter. Der überregionale Einsatz für unsere Gemeinde ist beeindruckend.

Mit Recht erheben sie den Anspruch, voll die Funktion eines Presbyteriums auszufüllen. Ich frage mich nur, wie sie das schaffen wollen. Geraten sie nicht im Einzelfall und vielleicht auch bei mancher Grundsatzfrage in Konflikt mit den Interessen der Gemeinde Schlebusch, des Kirchenkreises und der Gemeinde Manfort? Das kann doch nicht immer gleich laufen!


6.3 Unsere Gemeinde 2006 bis 2008

Auf einen Zusammenhang muss ich Sie aber noch hinweisen. Im Abschnitt über die Gemeindekonzeption habe ich davon gesprochen, dass Gespräche unseres Presbyteriums mit dem von Schlebusch stattgefunden haben und später der Kirchenkreis sich eingeschaltet hat. Der Mitarbeiter des Kölner Stadt-Anzeiger Jan Sting berichtet am 07.06.2005, im Zusammenhang mit der personellen Situation habe der Superintendent geäußert, die Gemeinde sei schon länger über eine Umstrukturierung informiert.

Ich meine schon, dass es Zeit wird, die Gemeinde über die verschiedenen Vorstellungen künftiger Umstrukturierungen unserer Gemeinde zu informieren – zunächst über die Vorstellungen Manforts selbst, dann über die von Schlebusch und schließlich über die des Kirchenkreises von 2005. Danach sollte die Gemeindeversammlung über den künftigen Weg der Gemeinde diskutieren. Entscheiden wird für die Gemeinde Manfort das Presbyterium. Danach kommt es auf das Ergebnis der Verhandlungen mit Schlebusch und ggf. mit dem Kirchenkreis an.

6.4. Presbyterium und Gemeindeversammlung –
demokratische Grundlage unserer Kirchenverfassung

Vor einem Jahr, im Gemeindebrief 1/2006, berichtete ich von der Stellung der Gemeindeversammlung in der Kirche. Ich habe erklärt, warum sie keine verbindlichen Beschlüsse fassen kann. Später hörte ich dann die Ansicht, die Gemeindeversammlung habe ja keine Bedeutung – das klang so, als wollte man sagen, die brauchen wir nicht zu fragen.

Die Gemeindeversammlung ist die einzige rechtlich geregelte demokratische Form der unmittelbaren Beteiligung der Gemeinde an ihrer Leitung. Danach sind in der Gemeinde insbesondere die Gesamtkonzeption gemeindlicher Aufgaben, die Planung der Zusammenlegung der Kirchengemeinde mit einer anderen sowie die Überlegungen des Presbyteriums in Blick auf die Pfarrstellenbesetzung zu besprechen. Die Ergebnisse sind festzuhalten, im Presbyterium zu besprechen und die Gemeinde ist in geeigneter Weise zu informieren (Art. 35 Abs. 4 KO).

Obwohl die Kirchenordnung eine frühzeitige Information der Gemeindeversammlung vorsieht, kann das Presbyterium sich zurückhalten und sich auf die Mitteilung der Ergebnisse beschränken.

Die Gemeindeversammlung ist so stark, wie es das Presbyterium will. Versteht dieses es, die Gemeindeversammlung als Grundpfeiler der demokratischen Struktur unserer Kirche anzunehmen, dann wird es frühzeitig über anstehende Entscheidungen informieren und deren künftige Auswirkungen erörtern ehe diese Entscheidungen selbst fallen. Das Presbyterium wird dann das Ergebnis dieser Erörterungen ernst nehmen und für den Fall, dass Überlegungen oder Anregungen aus der Gemeindeversammlung nicht oder nicht vollständig berücksichtigt werden können mit solider Begründung versehen, die allgemein einleuchtet. Geschieht das nicht, dann kann zwar das Presbyterium schneller reagieren und ist unabhängig von oft einander widerstrebenden Meinungen in der Gemeinde und auch selbständiger, eigentlich müsste man hier sagen: noch selbständiger als ohnehin schon. Aber es gibt eine Konsequenz: Die Verbindung zur Gemeinde löst sich. Bald bleibt nur eine Gruppe Gleichgesinnter, die dann die Geschicke der Gemeinde bestimmen.

Schließlich kann die Gemeinde nicht mehr nachvollziehen, was das Presbyterium in seinem Namen beschließt und wie es in ihrem Namen handelt. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen.

Wir sind alle aufgefordert, die weitere Entwicklung unserer Gemeinde aktiv zu begleiten.

6.5 Ausblick 2007/2008 – Das neue Presbyterium

Das Wichtigste ist die Bildung des neuen Presbyteriums. Auch deshalb ist dieses Kapitel so umfangreich geworden. Ich fasse zusammen:

* Presbyter sollten gewählt werden – aus einer Reihe, die eine Auswahl zulässt.
* Sie sollten sich frei vor Gott und frei vor den Menschen (Luther) fühlen und zugleich dem dreifachen Liebesgebot Jesu (Mt. 22,37 – 40 uu.a.) verpflichtet sein.
* Die Kandidaten sollten den Mut haben, ihren eigenen Verstand zu gebrauchen (Kant).
* Sie sollten wissen, wer unsere Kirchengemeinde ist, und bereit sein, ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu vertreten gegen die „menschlichen Interessen“ (Luther) anderer.
* Sie sollten für die presbyterial-synodale Ordnung unserer Kirche eintreten.
* Sie sollten ein enges Vertrauensverhältnis zur Gemeindeversammlung fördern und pflegen.
* Sie sollten bereit und in der Lage sein, als Team zu arbeiten (vgl. Gemeindebrief 3/2006, S. 21).
* Sie sollten bereit sein, den Pfarrer in seiner Arbeit zu unterstützen, ihn aber zugleich mit konstruktiver Kritik begleiten.
* Als größte Aufgaben für die Dauer der Wahlzeit des kommenden Presbyteriums sehe ich
o die Entwicklung der Gesamtkonzeption unserer gemeindlichen Arbeit auf der Grundlage von Leitbild und Gemeindeentwicklungsbericht,
o die Vorbereitung unserer Kirchengemeinde auf den Zusammenschluss mit der Kirchengemeinde Schlebusch.

6.6 Kraftquellen für Presbyter

Mir ist bewusst, dass kaum Jemand aus der Gemeinde bereit ist, diese Anforderungen zu erfüllen oder sich diesen großen und schwierigen Aufgaben zu stellen. Die meisten von uns werden mit Recht sagen können, dass dies alles ihre Fähigkeiten bei weitem übersteigen wird. Sie haben gewiss Recht damit.

Sie dürfen wissen, dass sie nicht allein sein werden (Gemeindebrief 3/2006, S. 21). Wie gelingt es, den Anforderungen wenigstens zum Teil einigermaßen gerecht zu werden, vor den Aufgaben nicht zu kapitulieren und sie gerade als Herausforderung anzunehmen? Ich verweise auf folgende Möglichkeiten:

* Ohne ein gesundes Gottvertrauen im Bewusstsein der Freiheit eines Christenmenschen (frei vor Gott und den Menschen) wird das nicht gut gehen.
* Mit der Bereitschaft zum Gespräch muss die Fähigkeit und Bereitschaft verbunden sein, eigene Fehler zu erkennen und zu korrigieren.
* Schließlich hilft die Fähigkeit, allen Instanzen der Kirche wohlwollend, kooperativ und dankbar, zugleich aber auch mit kritischer Distanz zu begegnen. Diese Fähigkeit muss man wohl im Laufe der Zeit erst erlernen und einüben – sie hilft aber.
* Jeder, der Mitglied eines Presbyteriums wird, weiß, dass er nun in einem Team arbeiten wird, dessen Mitglieder Stärken und Schwächen haben, wie er selbst. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Stärken aller gebraucht werden – sofern sie sich nicht als Schwächen erweisen. Sie hat aber auch gezeigt, dass jeder mit neuen Erfahrungen und mehr Wissen in sachlicher und persönlicher Hinsicht aus dem Amt scheidet, wenn dieser Zeitpunkt kommt.

Schließlich werden Sie fragen, wie kann ein künftiges Presbyterium sicherstellen, dass es nicht das Schicksal seines Vorgängers (2004 bis 2006) erleiden soll?

* Zunächst helfen die bisher genannten Anforderungen und Hinweise um den Weg zu vermeiden, den das letzte Presbyterium gegangen ist.
* Dann sollte jedes Mitglied sich seiner Eigenständigkeit bewusst sein und jede Abhängigkeit von anderen, einschließlich Kirchenkreis und Landeskirche vermeiden oder zumindest begrenzen – d. h. Mut haben, den eigenen Verstand zu gebrauchen (Kant).
* Die Eigenständigkeit des Einzelnen kann gestärkt werden, durch Beratung mit dem Gemeindebeirat (Art. 34 KO). Das gilt auch für das Presbyterium als Ganzes.
* Am Ende wiederhole ich den Hinweis, das neue Presbyterium möge das ständige Gespräch mit der Gemeinde suchen und pflegen – mit Einzelpersonen, mit der Interessengemeinschaft, vor allem aber mit der Gemeindeversammlung und diesen ständigen Gedanken- und Erfahrungsaustausch nicht abreißen lassen. Daraus können mancherlei unterstützende Kräfte entstehen.

6.7 Was bleibt?

Gegenüber dem Presbyterium wurden im Jahre 2005 viele Vorwürfe erhoben.

- Machtkämpfe
- undemokratisches und
- ungerechtes Handeln
- mangelhafte Information der Gemeinde

Diese Themen möchte ich zum Abschluß dieser Artikelfolge für alle Ebenen der Kirche behandeln. An dieser Stelle nur soviel:

* Macht heißt z. B. Einfluss zu nehmen – durch Handeln, Finanzkraft, Kraft der Argumente (Überzeugung) und durch die Kraft einer Persönlichkeit – mit dem Ziel, eine Veränderung des bestehenden Zustandes zu erreichen. Das ist in Ordnung so. Das Leben in menschlichen Gemeinschaften wäre ohne derartige Auseinandersetzungen nicht möglich. Es ist abhängig von funktionierenden Machtstrukturen. Entscheidend sind hier Beweggründe, gewissermaßen Ursachen und Ziele, sowie die Mittel und Wege, die man zu diesem Zwecke einsetzt. Hier entscheidet sich, ob Auseinandersetzungen gerechtfertigt, sinnvoll, hilfreich oder zerstörerisch abwertend, aus unserer Sicht also unzulässig, sind. Darüber später mehr.

* Undemokratisches Handeln verletzt die Würde des Menschen. Über diese Würde und ihre Bedeutung für Christen und Bürger will ich später genauer schreiben. Hier ist wichtig, dass aus dem Auftrag an die Christen, die Liebe Gottes in der Welt weiterzugeben, zwangsläufig ergibt, dass jeder Christ, die Würde eines jeden Menschen achten muss. Für den Bürger ergibt sich aus dem Grundsatz der Demokratie, dass jedem Menschen eine eigene Würde zukommt. Sonst könnte eine demokratische Gesellschaft nicht auf Dauer bestehen. Was dies für den Umgang von Christen und Bürgern untereinander bedeutet, wäre später noch im Zusammenhang zu betrachten.

* Ungerecht zu sein, bedeutet Gleiches ungleich zu behandeln. Gerecht zu sein bedeutet, jeden Fall seiner Eigenart entsprechend zu behandeln. Man kann sagen, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Auch dazu später mehr.

* Mangelhafte Information entsteht nicht nur, weil man sich selbst genug ist und die Information anderer fürchtet, sondern unter anderem auch, weil man keinen Weg weiß und selbst ratlos vor einer Frage steht, auch kommt es vor, dass man eine Situation falsch einschätzt. Ein Presbyterium muss auch im Zweifelsfalle Wege finden, die Gemeinde über Entwicklungen oder die Vorbereitung wichtiger Beschlüsse und Entscheidungen zu unterrichten. Auch darüber später mehr.

Dies alles bleibt noch aufzuarbeiten und für die Gemeinde nutzbar zu machen.

7. Gemeindepfarrer/in – die „eierlegende Wollmilchsau“? (1)

„Bin ich Jesus?“

Schon lange habe ich diese Redensart nicht mehr gehört. Sie wurde früher dann gebraucht, wenn man ausdrücken wollte, dass man nicht alles wissen und nicht alles tun könne. Allerdings habe ich sie niemals von einem Pfarrer gehört. Die „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es nicht. Ich habe erst spät erfahren, dass es sich um eine bayrische Erfindung handelt, um auszudrücken, dass der Mensch wohl am liebsten nur ein Haustier hätte, das alle seine Grundbedürfnisse nach Nahrung und Kleidung erfüllen könnte. Ich habe diesen rätselhaften Begriff zum ersten Male von Pfarrer Fritsche gehört, als es in einem Gespräch darum ging, welchen Anforderungen ein Pfarrer gerecht werden muss.

1. Unsere Erwartungen

Versuchen wir doch einmal, unsere eigenen Anforderungen an unseren Gemeindepfarrer zusammenzutragen. Zunächst soll er da sein, persönlich anwesend sein. Dann erwarten wir, dass er bei Bedarf da ist. Bedarf haben wir allgemein bei Taufe, Konfirmation, Heirat (Trauung), Tod (Beerdigung). Für manche sind das eine Formsache. Zur Sache geht es bei Schwerkranken, Sterbenden, Hinterbliebenen und ganz allgemein um Notleidende. Da geht es z. B. um einen Obdachlosen, der Geld für seine nächste Mahlzeit haben möchte, um einen Alleinstehenden, der in seelischer Not keinen Weg zu anderen Menschen findet, es geht auch um jene, die sich in Glaubenszweifeln befinden und keinen Weg aus diesen Zweifeln finden. Für sie alle soll der Pfarrer Hilfe, Stütze und Wegweiser sein. Deshalb ist er in gewisser Weise etwas mehr als ein Arzt.

2. Anforderungen an das Pfarramt

Haben Sie schon einmal nachgedacht darüber, was ein solcher Pfarrer alles wissen und können muss, wenn er allein diese Anforderungen erfüllen soll? Viele von ihnen haben ein Zusatzstudium in Psychologie oder sogar eine Ausbildung als Psychotherapeut hinter sich. Ein Pfarrer ist in vielerlei Hinsicht darauf angewiesen, dass er wesentliche Teile seines Aufgabenfeldes erst in der Praxis kennen lernt und erst dann persönliche Erfahrungen sammeln kann.

2.1 Theologe und Psychologe

Auch ein Gemeindepfarrer ist in der Regel zuerst einmal Theologe. Das Wort Theologie stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „Lehre von Gott“ oder im heutigen Sinne die „wissenschaftliche Lehre vom Glaubensinhalt einer Religion“, in unserem Falle der christlichen. Was gehört dazu? Zunächst die umfassende Kenntnis des Inhalts der Bibel und ihres Zustandekommens, die Geschichte des Christentums und der evangelischen Kirche. Dazu gehört die Kenntnis alter Sprachen, etwas Hebräisch, Altgriechisch und Latein. Ein Pfarrer muss sich in den verschiedenen Richtungen seiner Wissenschaft auskennen. Welche Auffassung vertrat Rudolf Bultmann, welche Karl Barth und was sind heute die aktuellen Fragen, die wissenschaftlich erörtert werden. Wie sieht es in anderen Konfessionen aus, z. B. was hat der Professor Joseph Ratzinger, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz oder gar der Papst gesagt. Den wesentlichen Kern dieser Aussagen sollte er kennen und einordnen, damit zugleich auch bewerten können. Denn er wird gefragt, von interessierten Gemeindemitgliedern und von Außenstehenden. Hier vertritt er seine Kirche vor Ort.

2.2 Bibelauslegung

Ich muss noch etwas zur Bibelauslegung sagen, die ihren Höhepunkt in der sonntäglichen Predigt findet. Ein Pfarrer muss sagen können, was das, was in der Bibel steht, für uns Menschen heute bedeutet. Er muss also die Heilige Schrift auslegen können (gr. Exegese). Er muss die Kunst der Auslegung (gr. Hermeneutik) erlernt haben. Ein wichtiger Teil dieser Kunst ist die Auslegung eines Bibelabschnitts in der Reihenfolge der Sätze (gr. Homilie, „Zusammensein, Gespräch“). Sie sehen, es geht nicht wie in der Schule um einen Aufsatz, wie wir ihn alle einmal schreiben mussten. Es geht darum, eine besondere Kunst zu kennen und zu erlernen. Wie bei allen Künsten, liegt auch diese dem einen mehr und dem anderen weniger. Aber für seinen Beruf braucht der Pfarrer ein bestimmtes Maß der Beherrschung auch dieser Kunst.

2.3 Kirchenmusik

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Pfarrer auch die wesentlichen Grundzüge der Kirchenmusik in Vergangenheit und Gegenwart kennen muss. Die großen Meister wie Telemann, Schütz, Johann Sebastian Bach, Händel, Mozart, Beethoven müssen ihm bekannt und in Teilen vertraut sein wie die Liederdichter und –komponisten wie Paul Gerhardt, Martin Luther, Gerhard Tersteegen bis hin zu Jochen Klepper, Dietrich Bonhoeffer und etwa Kurt Romme, Jürgen Henkys und Oskar Gottlieb Blarr.

2.4 Gemeindepädagogik

Ein Gemeindepfarrer hat seinen Beruf verfehlt, wenn er nicht einige Grundzüge der Pädagogik beherrscht. Unter Pädagogik versteht man die Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung, kurz die Erziehungswissenschaft. Das wird deutlich an der Aufgabe des Pfarrers, Konfirmandenunterricht oder heute Kirchlichen Unterricht zu erteilen. Aber auch dann, wenn er Kindergottesdienste, Bibelabende hält oder etwa Mitarbeiter in Kindergarten und Jugendarbeit unterrichtet, ist sein pädagogisches Geschick gefragt.

2.5 Einfühlungsvermögen und Taktgefühl
Ein Gemeindepfarrer „muss es mit allen können“, wie man landläufig sagt. Was meint man damit? Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man darunter, dass er sich z. B. mit einem ungelernten Arbeiter oder einem arbeitslosen Jugendlichen ebenso gut unterhalten und ernsthaft verständigen kann wie mit einem etablierten Handwerker, einem Rechtsanwalt oder Arzt. Wir in Leverkusen können sagen, er muss mit einem Laboranten bei BAYER wie mit einem leitenden Angestellten oder gar einem Vorstandsmitglied oder auch einem Mitglied des Aufsichtsrates sprechen können, wenn diese Personen in seiner Gemeinde leben. Nehmen wir hinzu die Menschen verschiedenen Alters, die Jungen, die Alten, die Familien und ebenso die Gesunden und Starken auf der einen und die Kranken sowie die Schwachen auf der anderen Seite hinzu. Es geht um Gemeinschaftsmenschen ebenso wie um die Einzelgänger, um die Fröhlichen und Lustigen wie um die Traurigen und Bedrückten – für alle soll der Pfarrer verständnisvoller Partner sein! Sie merken, Sie merken, hier kommt Psychologie, Pädagogik – und auch viel Einfühlungsvermögen und Taktgefühl zusammen.

2.6 Dienstgemeinschaft und kirchliche Struktur

Meinen Sie, das sei genug? – Sie mögen recht haben. Eigentlich reicht das alles. Aber wir täuschen uns! Wir haben ganz unterschlagen, dass der Pfarrer Teil der Kirchenorganisation ist., Hier muss ich Sie zunächst auf die ersten Teile unserer Aufsatzsammlung verweisen (Wer ist das Oberhaupt unserer Kirche?; Die Gemeinde – wer ist das?). Der Pfarrer steht zunächst in der Dienstgemeinschaft wie alle Christen. Er trägt – allerdings an herausgehobener Stelle – sein Teil dazu bei, die Liebe Gottes in diese Welt hineinzutragen, sie zu bezeugen und uns alle zu gleichem Tun zu bewegen.

Dann aber ist er auch und zugleich Mitglied der irdisch-menschlichen Organisation in dieser Welt handelnder Kirchen. Unsere Johanneskirchengmeinde ist eine Gemeinde mit nur einer Pfarrstelle. Von einer solchen Situation gehe ich jetzt aus. Wenn mehrere Pfarrer in einer Gemeinde tätig sind, können sie die Anforderungen eher untereinander aufteilen. Bei unserer Gemeinde geht das nicht. Der Pfarrer muss sich der ganzen Bandbreite stellen. Zunächst ist er in der Regel Dienstvorgesetzter aller anderen kirchlichen Mitarbeiter in der Gemeinde. Er ist mitverantwortlich – man kann sagen vorrangig verantwortlich – für die Grundstücke und Gebäude, für das Inventar der Gemeinde. Dann muss er ein Gefühl für das Wesen der Verwaltung in der Kirche entwickeln. Oft fällt es schwer, sich daran zu gewöhnen, dass jede Einnahme und Ausgabe schriftlich nachgewiesen und belegt werden muss, dass alle Finanzbewegungen der Gemeinde nur durch eine Kasse erfolgen können, dass die Kirchenbücher in einer bestimmten Ordnung zu führen sind und der Haushalt der Gemeinde von der Verwaltung in einer gewissen Systematik aufgebaut werden und Regeln in der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel eingehalten werden müssen. Auch der Umgang mit dem Siegel will gelernt sein, um missbräuchliche Verwendung zu verhindern. Zur Verwaltung gehört auch die Organisation der Gemeinde. Die einzelnen Gruppen in der Gemeinde dürfen nicht getrennt nebeneinander agieren, sondern müssen voneinander wissen, unter Umständen nach Möglichkeit sogar an einem gemeinsamen Projekt arbeiten.

Ein Gemeindepfarrer muss die Entwicklung der Gemeinde insgesamt im Blick behalten und diese Gesamtentwicklung verantwortlich zu steuern versuchen.

2.7 Seelsorge

Nach biblischem Verständnis meint Seele soviel wie Leben. Seelsorge ist dann Lebenshilfe, die das Leben eines Menschen in allen seinen Beziehungen heilen und fördern will. Das zielt besonders auf jenes Verhältnis, das seinem Leben Sinn gibt. Für uns Christen ist das unser Verhältnis zu Gott. Seelsorge vollzieht sich also in einem vielschichtigen Beziehungsfeld und sucht dem ganzen Menschen zu dienen.

Seelsorge geschieht dann durch

- Rat und Hilfe aus Einsamkeit, Sinnlosigkeit, Angst und Schuld; in mitmenschlichen Konflikten; vor schwerwiegenden Entscheidungen
- Zuwendung, Zuhören und Zuspruch eines Menschen in einer Atmosphäre des Vertrauens
- Hilfe zu neuer Gemeinschaft, zu vertiefter Sinnerfahrung und zur Überwindung von Einsamkeit und Schul soweit das möglich ist.

Es gibt die Vorstellung, dass alle kirchlichen Betätigungen sich durch ihr seelsorgerliches Ziel rechtfertigen und darin begründen müssen. Die Seelsorge ist damit die eigentliche und einzige Aufgabe der Kirche. Wenn wir Seelsorge als Frucht der dreifachen Liebe zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zu unseren Feinden verstehen, dann können wir dieser Auffassung wohl zustimmen.

Seelsorge kann als Einzelfallseelsorge und als Gruppenseelsorge ausgeübt und verstanden werden.

Seelsorge ist die wichtigste Amtspflicht des Pfarrers. Deshalb habe ich sie als letzte genannt. In ihr läuft alles zusammen, was den Pfarrerberuf ausmacht: Ein Gespräch – über das Wetter, den häuslichen Alltag, den Beruf oder über den Sinn des Lebens, Lebensziele, über Gott und den Lauf der Welt, das Ausfüllen eines unverständlichen oder schwierigen Vordrucks, das Lesen eines Psalms oder einer anderen Bibelstelle, das gemeinsame Singen eines Kirchenliedes, das gemeinsame Sprechen des Vaterunsers, das gemeinsame Gebet – dies alles sind Formen der Seelsorge, wenn all diese Tätigkeiten von der Hinwendung zum nächsten getragne werden und von Gottes Liebe zeugen.

An einem Beispiel möchte ich eine weitere Möglichkeit zeigen, wie Seelsorge geschehen kann. Es war wohl unter dem Eindruck der Flugzeugattentate auf das World-Trade-Center in New York am 11.09.2001, dass ich vorschlug, unsere Gemeinde möchte bei derartig einschneidenden Katastrophen kurzfristig Gottesdienste anbieten und bedrängten Gemeindemitgliedern, besonders Alleinstehenden und Älteren, die Möglichkeit bieten, sich unter Gottes Wort zu versammeln. Für mich war das eine eigene Form der Seelsorge – ich würde sie die gemeindliche Seelsorge nennen, die sich an die Kirchengemeinde wendet. Mein Vorschlag wurde abgelehnt, weil in solchen Fällen die Sachlage meist ungeklärt ist und wenig auf Gemeindeebene zur Aufklärung der Tatsachen beigetragen werden kann. Durch derartige Ereignisse – ich denke auch an die Entführung und Ermordung von Martin _Schleyer, den Ausbruch der Irak-Kriege, die erschreckenden Anschläge aus rassistischen Gründen u. a. m. Hervorgerufene Ängste lassen sich auf diese Weise nicht auflösen. _Außerdem sei es organisatorisch schwer zu erreichen, kurzfristig die tragenden Persönlichkeiten für ein solches Vorhaben zu gewinnen. Ich habe mein Vorhaben nicht weiter verfolgt. Aber im Sinne der Seelsorge halte ich ein solches Projekt nach wie vor für wichtig. Es braucht ja kein Gottesdienst zu sein. Eine Gebetsandacht mit Schriftlesung, Gesang und Gebet – vielleicht mit Nachgespräch im Anschluss – könnte schon viel bewirken. Hinwendung zum Mitmenschen und Gottes Liebe sollten unsere Beweggründe sein – alles andere mag man nachher überlegen. In anderen Gemeinden war ein solches Angebot möglich.

„Ist das nun alles?“ werden Sie fragen. Wir haben unsere Erwartungen an den Gemeindepfarrer zusammengetragen und die Anforderungen an das Amt des Pfarrers in einer kurzen Zusammenfassung zur Kenntnis genommen. Das ist erst der Anfang.

2.8 Pfarrer und Pastor

Bevor wir zur Sache kommen, will ich die Begriffe klären. Beide stammen aus dem Lateinischen. „Pfarrer“ leitet sich ab von „pater“ (= Vater) und wurde im Altertum oft in der Zusammensetzung von „pater familiae“ (= „Vater der Familie“) im Sinne auch von „Oberhaupt des Geschlechts“ gebraucht. Im kirchlichen Zusammenhang verstand man den Pfarrer als Vater seiner Gemeinde und die Gemeindemitglieder als seine Gemeindekinder. Von diesen Sachverhalt leitet sich auch das Eigenschaftswort „patriarchalisch“ ab. Der Pfarrer verhält sich wie ein Vater – im guten wie auch manches Mal im schlechten Sinne.

„Pastor“ leitet sich ab von „pastor“ (= Hirt). Hier ist das Bild vom Hirten gemeint, der „sein Leben hingibt für seine Schafe“ (Joh. 10,11).

In der evangelischen Kirche werden die ausgebildeten Theologen, die ein Pfarramt innehaben Pfarrer genannt. Diejenigen aber, die nach ihrer Ausbildung ohne Pfarramt sind, Pastoren. Das war nicht immer so. In der Vergangenheit war der Sprachgebrauch wohl oft fließend.

Der ehemalige Pfarrer unserer katholischen Nachbargemeinde bezeichnete sich gern als „Pastor“. Ich nehme an, dass er seinen Beruf ausgesprochen als Hirtenamt auffasste.

2.9 Keine „eierlegende Wollmilchsau“!

Eines ist jetzt klar: Ein Pfarrer weiß nicht alles und er kann nicht alles. Er ist keine eierlegende Wollmilchsau.

Reicht Ihnen, was Sie nun über den Pfarrer wissen? Ich könnte mir vorstellen, dass es Ihnen reicht. Aber das genügt nicht. Jetzt geht es erst los.

Was sagt die Bibel, was die Kirche zum Pfarrberuf und seiner Aufgabe? Welche Erfahrungen macht ein Presbyterium mit “seinem“ Pfarrer, welche die Gemeindemitglieder? – Sie sehen, es stehen noch viele Fragen an. Diese erste umfassende – aber nicht erschöpfende – Darstellung war deshalb notwendig, weil die Ansichten über das, was ein Pfarrer ist und was er tun muss, sehr unterschiedlich sind. Wir machen uns oft nicht klar, wie weit die Anforderungen an den Pfarrer wirklich gehen und berücksichtigen zu wenig, dass der Pfarrer ein Mensch ist mit allen Vorzügen und Schwächen, die dazu gehören.

8. Gemeindepfarrer/in – die „eierlegende Wollmilchsau“? (2)

Über Erwartungen und Anforderungen, denen sich ein Pfarrer/eine Pfarrerin im Gemeindeamt gegenüber sieht, habe ich im letzten Gemeindebrief (3/2007), S. 8-13) berichtet. Heute geht es um die Grundlagen des Amtes in Bibel und geltendem Recht.

1. Die Bibel, Jesus und Petrus
Schon im ersten Artikel (Gemeindebrief 3/2005, S. 13) berichtete ich vom ältesten christlichen Glaubensbekenntnis, das uns über Petrus überliefert ist (Mt. 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20). Die Geschichte hat eine Fortsetzung. Jesus sagt zu Petrus: „ … ich sage dir, du bist Petrus, und auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Von katholischer Seite wird in Verbindung von Lk 22,32 und Joh. 21,15 ff mit diesen Text die Vorrangstellung des Papstes als Nachfolger des Petrus in seiner Funktion als Bischof von Rom und Leiter der Weltkirche mit Schlüsselgewalt begründet („Neue Jerusalemer Bibel“, Freiburg, 12. A. 1985, S. 1406, 1498, 1548). Wir Evangelische sehen die Sache etwas anders. Zunächst erscheint fraglich, ob Jesus diese Aussprüche in dieser Form auch tatsächlich geäußert hat. Es besteht die Vermutung, dass diese konkreten Akzente erst später bei Abfassung des Evangeliums hinzugesetzt wurden. Die Evangelien wurden erst 70 nach Chr. Verfasst. Bereits um die Jahre 50/60 herum aber fand das Apostelkonzil in Jerusalem statt, auf dem es zu einer Kontroverse zwischen Petrus und Paulus kam (Apg 15). Man darf vermuten, dass hier bestimmte Interessen durch die Autorität des Jesuswortes gefördert werden sollten. Über „das Amt“ in der Kirche wird seither gestritten und werden Bücher veröffentlicht. Auf diese Erörterungen lasse ich mich nicht ein. Das ist Sache der Theologen. Für uns ist aber wichtig, dass auf der Grundlage der Sonderposition alle Bischöfe und Pfarrer (Priester) der römisch-katholischen Kirche in gleicher Weise begeht erscheinen, weil sie durch Handauflegen und Segnung in die unmittelbare Nachfolge des Petrus berufen sind. Aus dieser Sicht ergibt sich die Sonderstellung des Priesters („Priesterweihe“) in der katholischen Kirche. Anders sieht es in der evangelischen Kirche aus.

2. Jesus Gemeinde
Ich beziehe mich auf zwei Kernstellen, das dreifache Liebesgebot gegenüber Gott, unserem Nächsten und gegenüber unseren Feinden (Mt. 22,34-40; Mk 12,28 – 34; Lk 10,25-28; Mt 43-48; Lk 6,27-28 und 32-36) und auf den so genannten „Missionsbefehlt“: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Will der Schriftgelehrte, der Jesus nach dem größten Gebot fragt, ihn versuchen oder fragt er aus ernsthaftem Interesse? Bei Matthäus wissen wir es nicht, können aber eher das erste vermuten. Bei Markus ist es anders. Hier endet das Gespräch mit Jesus Feststellung gegenüber dem Fragensteller: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Hier gehört er also auch zur Gemeinde Jesu. Das Gebot der Feindesliebe erwähnt Jesus in der Bergpredigt vor einer großen Menge, die ihm nachgefolgt ist aus weiten Bereichen des Landes und jenseits der Grenzen. Sie sind seine Gemeinde. Das dreifache Liebesgebot ist also Grundlage und Ausgangspunkt für jeden Christen, der Jesus nachfolgen will. Das ist dann also auch die Grundlage für jeden, der das Amt des Pfarrers/der Pfarrerin anstrebt.

3. Jesu Jünger
Im letzten Kapitel seines Evangeliums berichtet Matthäus von der letzten Zusammenkunft der Jünger mit Jesus. Der so genannte „Missionsbefehl“ sind die letzten Worte Jesu in diesem Evangelium. Man hat diese Worte „Missionsbefehl“ genannt In den Jahrhunderten danach sind sie auch als Befehl aufgefasst worden – leider oft auch als Befehl, Krieg zu führen, Menschen zu verfolgen und zu foltern, sie mit Gewalt zu „missionieren“. Dabei kann dieser Auftrag an seine Jünger nur bedeuten, sich mit Liebe den Menschen zuzuwenden, ihnen das Wesen des christlichen Glaubens nahe zu bringen und dann, wenn sie es wünschen, sie zu taufen. Wie in vielen anderen Fällen, hat sich auch hier die Überzeugung gebildet, dass im Sinne der Gemeinde Jesu nicht nur die Jünger sondern alle getauften Christen diesen Auftrag erfüllen müssten. Die Jünger stehen in diesem Fall für all jene, die ihrer Verkündung folgen und sie zum Glauben bringen.

4. Paulus
Wenn wir in der Bibel nach weiteren Grundlagen für das Pfarramt in der Kirche suchen, dann finden wir sie einmal in den Briefen des Apostels Paulus insbesondere an die Christen
in Korinth und an die Galather. Paulus war der Baumeister der christlichen Kirche. Er hat die Botschaft Christi in die damals bekannte Welt hineingetragen. Er hat seine Boten gesandt. Man kann ihm nicht jeder seiner Auffassungen folgen, aber Kern seiner Botschaft hat die Jahrhunderte überdauert. Hier liegt die Kraft der Liebe Christi, die die ganze Welt durchdringt. Das alles ist vermutlich nicht, was Sie als biblische Grundlage für das evangelische Pfarramt erwartet haben. Aber Jesus war Jude und gehörte in die Synagoge. Es gab
keine christliche Kirche. Sie entstand erst in den Jahren nach Christi Tod und Auferstehung. Aus theologischer Sicht ist die christliche Kirche Pfingsten entstanden (Apg. 2,3e8 ff). Historisch, so möchte ich meinen, entstand die Kirche Christi im Verlauf der Jahrhunderte danach – in den Jahren der Verfolgung und des Lebens im Untergrund, in den Jahren der
Verbreitung über die ganze damals bekannte Welt. Sie wissen: Es entstand die katholische Kirche. Christus wollte den Juden seine Botschaft und ihre Rettung verkünden, Paulus hat über die Grenzen Palästinas hinaus in Griechenland, ja in Rom selbst christliche Gemeinden gegründet. Martin Luther schließlich hat die Bibel als zentrale Zeugnis christlichen Glaubens wieder in ihr Recht gesetzt. Die Tradition der katholischen Kirche hatte sie fast zugedeckt. Dazu gehört die Tradition der geweihten Priester. Im zweiten Teil des Artikels über das Presbyteriums habe ich Martin Luther mit seiner Feststellung zitiert, „ … das kann niemand leugnen, dass jeder Christ Christ Gottes Wort hat und von Gott gelehrt und zum Priester gesalbt ist“ (Martin Luther „Das eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, über alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, aus der Schrift begründet und nachgewiesen“, 1523). Wir sehen also, für den evangelischen Pfarre gilt nach den Aussagen der Bibel zunächst, was für alle Christen gelten soll: Das dreifache Liebesgebot und die Aufforderung, Christi Botschaft überall in der Welt zu verbreiten, die Menschen zu taufen und sie anzuhalten zu treuen Christen zu werden (so genannter „Missionsbefehlt“). Warum schreibe ich so umständlich? Die Stellung des Pfarrers ist vielen Missverständnissen ausgesetzt – insbesondere in katholisch geprägten Gegenden. Ein evangelischer Pfarrer ist ein Mensch wie jeder andere. Er hat keine besondere Weihe, die ihn vor anderen hervorhebt. Er hat seinen Beruf ergriffen wie jeder andere Mensch auch – wir alle hoffen, aus Neigung – und er hat seine anspruchsvolle Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, bevor er ein Pfarramt übernehmen kann. Das Herausragende an ihm ist, dass dieser Beruf besondere Anforderungen an ihn stellt.

Ein Pfarrer ist für Menschen da, die ihn besonders in Grenzsituationen brauchen, in denen es oft um Leben und Tod geht. In dieser Hinsicht ist er mit einem Arzt zu vergleichen. Der Pfarrer oder die Pfarrerin sollen etwas aussagen darüber, was nach dem Tod kommt. Sie können das aber nur nach der Schrift. Bei dieser schwierigen Aufgabe sind auch die Pfarrer/-innen auf Hilfe und Beistand angewiesen. Für den Gemeindepfarrer/die Gemeindepfarrerin ist das das Presbyterium, dann der Superintendent, der Seelsorger für alle Ordinierten im Kirchenkreis ist. Das ist nach den Worten Luthers auch folgerichtig. Eine solche Unterstützung kann aber nicht öffentlich erfolgen. Sie muss vertraulich geschehen, wie jede Einzelfallseelsorge. Ich fasse zusammen: Aus biblischer Sicht ist der Pfarrer wie jeder andere Christ aufgefordert, dem dreifachen Liebesgebot zu folgen und den Auftrag zu erfüllen, die Lehre, die Botschaft Jesu in aller Welt zu verbreiten und die Menschen zu taufen, die es wollen. Wir stehen also alle auf gleicher Ebene. Ein Pfarrer unterscheidet sich anderen Gemeindemitgliedern gegenüber dadurch, dass er einen anspruchsvollen Beruf gewählt hat, ein vielseitiges, zeitraubendes Studium abgeschlossen und seine Berufsausbildung erfolgreich durchlaufen hat. Das alles aber hat mehr mit der Kirche als mit der Bibel zu tun.

5. Die Kirche
Kirche (gr. kyriaké) ist in seiner Bedeutung als „dem Herrn gehörendes Haus“ erst seit dem 4. Jahrhundert nach Christus bekannt und bezeichnet ein christliches Gotteshaus. Erst im späteren Verlauf hat sich die Bedeutung auf christliche Religionsgemeinschaften erweitert. Heute sind Kirchen in diesem Sinne christliche Religionsgemeinschaften, die sich eine Verfassung gegeben haben. Die Evangelische Kirche im Rheinland - EKiR – hat sich mit ihrer „Kirchenordnung“ - KO – eine solche Verfassung gegeben. Dort heißt es „Die Evangelische Kirche im Rheinland, ihre Kirchenkreise, Kirchengemeinden und die von ihnen gebildeten Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie verwenden ihr Vermögen und ihre Einnahmen nur für kirchliche Zwecke – Art. 3 Abs. 3 KO -. Bereits im ersten Teil meines Beitrages über das Presbyterium (Gemeindebrief 2/2006) habe ich von 24 Landeskirchen gesprochen, die sich in der Evangelischen Kirche in Deutschland – EKD – zusammengefunden haben. Wir können die Landeskirchen mit den Bundesländern vergleichen und die EKD mit der Bundesrepublik. Es gibt innerhalb der EKD einige Vereinigungen nach dem jeweiligen Bekenntnisstand der Landeskirchen. Die EKiR gehört zu „Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland - UEK -. Auch sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Damit betreten wir das Gebiet des Kirchenrechts.

6. Kirchenrecht
Vorab eine allgemeine Erfahrung: Wenn alles klappt, braucht man keine Verträge, Verordnungen, Gesetze oder Kirchenordnungen. Erst dann, wenn etwas schief läuft, muss man sich auf all dies einlassen. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Deshalb ist es gut, Rechtsgrundlagen für das eigene Arbeitsgebiet in de Grundzügen bereits vorher zu kennen. Das Recht der Pfarrerinnen und Pfarrer ist in den Artikeln 49 bis 63 KO sowie im Pfarrerdienstgesetz von 1996 - PFDG – der UEK geregelt. Dieses Gesetz erklärt eindeutig den Zweck dieser gesetzlichen Regelungen: Jesus Christus hat seiner Kirche den Auftrag zu Zeugnis und Dienst in der Welt gegeben. Den Auftrag zur öffentlichen Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente erteilt die Kirche durch Ordination. Die Wahrnehmung dieses Auftrages findet in den Bestimmungen über Amt und Dienst der Pfarrerinnen und Pfarrer eine rechtlich geordnete Gestalt. Die Pfarrerinnen und Pfarrer stehen in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu ihrer Kirche – und zwar auf Lebenszeit - $ 2 PfDG -. Sie sehen, es handelt sich um ein beamtenähnliches Dienstverhältnis. Wie der Staat aber für herausragende Aufgabenfelder auch besondere Dienstgesetze erlässt, für die Richter das Richtergesetz oder für Soldaten das Soldatengesetz, so erlässt die Kirche diese PfDG für Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie sind als Mitglied des Presbyteriums an der Leitung der Kirchengemeinde beteiligt. Ihre Amtspflichten werden im Einzelnen durch eine vom Presbyterium aufgestellte und von der Kirchenleitung genehmigte Dienstanweisung geregelt – Art. 49 KO -. Hier wird zweierlei deutlich. Presbyterium, also die Gemeinde, legt die Amtspflichten des Pfarrers fest. Andererseits genehmigt die Kirchenleitung die Dienstanweisung. Pfarrerinnen und Pfarrer stehen in einem Dienst- und Treueverhältnis zur Landeskirche, werden aber vom Presbyterium gewählt, sind dem Presbyterium gegenüber verantwortlich für die Erfüllung ihrer Amtspflichten, ihr Dienstvorgesetzter aber ist der Superintendent, der Vorsitzende der Kreissynode und ihres Handlungsorgans, des Kreissynodalvorstands. Außer ihrer Dienstpflicht gegenüber ihrer Kirchengemeinde sind die Pfarrerinnen und Pfarrer der gesamten Kirche zum Dienst verpflichtet. So können ihnen auf kreis- und landeskirchlicher Ebene zusätzliche Aufgaben übertragen werden - Art. 50 KO -.

Ganz wichtig ist die Selbstständigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Verkündigung und in der Seelsorge. Hier haben Presbyterium und Superintendent begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten – aber immer dann, wenn die kirchliche Ordnung verlassen wird - Art. 51 KO -. Ich hoffe, es wird etwas von der schwierigen Situation eines Gemeindepfarrers im kirchlichen Dienst deutlich. Es ginge zu weit, jetzt einzelne Bestimmungen aufzuführen. Wir werden beim nächsten Mal die Praxis untersuchen unter den Gesichtspunkten Gemeindepfarrer und sein Amt, der Gemeinde und am Presbyterium (Gemeindepfarrer/in - eine „eierlegende Wollmilchsau?“ (3).