Freitag, 26. Februar 2016

1. Wer ist das Oberhaupt unserer Kirche?

Diese Frage fand ich in einem Leserbrief im Kölner-Stadtanzeiger vom 26.06.05. Sie hat mich nicht losgelassen. Wir kennen die Antwort seit unserer Konfirmation: Gott, der Vater, Gott, der Sohn und der Heilige Geist. Wir sagen als Christen, dass Jesus Christus der Herr unserer Kirche ist. Die christliche Kirche bekennt sich zu dem Gott und Herrn jenseits dieser Welt, der sich den Menschen durch Offenbarungen mitteilt. Von Beginn an handelt Gott von sich aus und wendet sich an den Menschen, z. B. mit seinem Verbot von den Früchten zu essen, die er am Baum der Erkenntnis findet (1. Mose 2,17), der Geschichte von der Sintflut (1. Mose 6-8) und den Zehn Geboten (2. Mose 20). Von Anfang an ist das Verhältnis zu Gott von einem Unter-/Überordnungsverhältnis geprägt. Das ist nicht ungewöhnlich. Gott ist Schöpfer der Welt und damit auch der Menschen.

Dann geschieht etwas Unerwartetes: Jesus wird geboren, Gott wird Mensch! Das Einzigartige daran ist, dass Gott das aus Liebe zu den Menschen tut. Sie haben sich so oft und so weit von Gott entfernt, dass viele keinen Zugang mehr zu ihm finden können. Darüber hinaus hat Jesus den Auftrag, die Sünden aller Menschen auf sich zu nehmen und den Tod am Kreuz zu sterben, stellvertretend für alle Menschen. Das bringt die Menschen ganz nahe zu Gott. Aus Gott wird Mensch, aus dem Herrn wird – in der Sprache Luthers und vieler unserer Kirchenchoräle – ein „Knecht“, also ein Diener, eine Dienstkraft. Jesus vermittelt uns den Willen seines Vaters und hat uns das wichtigste Gebot genannt: Liebe! Wir sollen Gott lieben, unseren Nächsten und unsere Feinde (Mt. 22,34-40; Mk. 12,18-27; Lk. 10,25-28; Mt. 5,43-48; Lk. 6,27-28 und 32-36).

So stehen wir nun vor unserem Gott von unserer Sünde befreit – jedoch wiederum mit schwerem Gepäck. Wer kann diese Gebote alle erfüllen? Sind das nicht Aufgaben, die schier übermenschliche Kraft erfordern? Entfernen wir uns nicht von neuem immer wieder von Gott?

Diese Fragen sind berechtigt. Verstehen wir diese Gebote einmal als Zielbeschreibungen, auf die hin wir leben sollen mit allen unseren Kräften, dann sieht es schon anders aus. Mit solchem Verständnis könnten wir es wenigstens versuchen. Nun müssen wir etwas über die Heilige Schrift sagen, die uns Gottes Wort verkündet. Genau betrachtet, enthält auch die Bibel Worte von Menschen, Zeugnisse von Menschen über ihren Glauben an Gott und über sein Wirken. Hier wird vom Leben der Menschen mit ihrem Gott berichtet, aus der Sicht dieser Menschen.

Diese Glaubenszeugnisse haben sich zunächst mündlich entfaltet und wurden über Generationen hinweg mündlich weitergegeben, ehe sie erstmals in Schriftform gefasst wurden. Auch diese Schriftform hat sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach geändert. Auf diese Weise ist neben der ursprünglichen Botschaft und Glaubenserfahrung der jeweiligen Zeitgenossen auch vieles in diese Überlieferung eingeflossen, das zur Vorstellungswelt und zum Erfahrungshorizont dieser Menschen gehörte. Auf diese schriftlichen Zeugnisse stützt sich seither die Kirche unserer Zeit.
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Christlicher Glaube

Das älteste christliche Glaubenszeugnis wird von dem Apostel Petrus berichtet, der auf die von Jesus gestellte Frage, wer er sei, spontan und ohne Zögern geantwortet habe: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ (Mt. 16,16; Mk. 8,29; Lk. 9,20). Diesem Bekenntnis sind in der Geschichte viele gefolgt. Eine Auswahl von Glaubensbekenntnissen finden wir in unserem Gesangbuch (eg) unter den Nummern 852 bis 859 bzw. S. 1305 – 1387.

Von den vielen Einflüssen, die seit dem Bekenntnis des Petrus auf die evangelische Kirche eingewirkt haben, möchte ich zwei Zeugen nennen: Martin Luther („Von der Freiheit eines Christenmenschen“, 1520) und Immanuel Kant in seiner Schrift „Was ist Aufklärung?“ von 1784. Martin Luther stellt in seiner Schrift fest: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.“ Er sagt zugleich: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Jesus Christus hat uns frei gemacht von der Sünde und unserer Entfernung von Gott. Sind wir vor Gott aber frei, dann sind wir erst recht frei vor den Menschen. Zugleich aber sind wir dem dreifachen Liebesgebot verpflichtet und dienen Allen soweit wir können. Immanuel Kant ruft den Menschen seiner Zeit zu: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Auf diese beiden Erkenntnisse der Reformation (Martin Luther) und der Aufklärung (Immanuel Kant) stützt sich in der Tradition evangelischer Bekenntnisse auch die evangelische rheinische Landeskirche mit ihrer Kirchenordnung – KO - gewissermaßen ihrem „Grundgesetz“. Der erste Satz ihres Grundartikels 1 lautet: „Die evangelische Kirche im Rheinland bekennt sich zu Jesus Christus, dem Fleisch gewordenen Worte Gottes, dem für uns gekreuzigten, auferstandenen und zur Rechten Gottes erhöhten Herrn, auf den sie wartet.“

So einfach ist das mit dem Oberhaupt, oder wie wir sagen, dem Herrn, unserer Kirche also nicht. Sollte die Frage aber nicht auf diese göttliche Ordnung, sondern ganz banal auf die weltlich-irdische Hierarchie der kirchlichen Organisation zielen, dann ist die Frage falsch gestellt. Nach der Kirchenordnung gibt es kein Oberhaupt, sondern nur Menschen, die Leitungsfunktionen ausüben, die ihnen durch Wahl übertragen werden. Natürlich gibt es auch Funktionen in der Kirche, die keine Leitungsfunktionen sind. In diesem Sinne kann es auch eine hierarchische Ordnung geben.

Fassen wir zusammen:

1. Das Oberhaupt der christlichen Kirche ist der dreieinige Gott. Sie nennt Christus ihren Herren.
Das „Oberhaupt“ ist also nicht von dieser Welt.
2. Das Christentum ist eine Offenbarungsreligion. Das Verhältnis des Menschen zu Gott ist
demnach nicht demokratisch bestimmt, sondern von der Liebe Gottes geprägt.
3. Die Bibel ist das Zeugnis von Menschen über diesen Gott und sein reales Wirken in dieser Welt.
4. Seither hat es viele weitere Zeugnisse gegeben. Sie sind immer aus ihrer Zeit in ihre Zeit hinein
gesagt worden. Wir wissen oft nicht, was zeitgebunden ist oder heute noch gilt.
5. Den Kern der Botschaft Gottes hat Jesus Christus mit dem dreifachen Liebesgebot genannt.
Martin Luther und Immanuel Kant haben uns weitergeholfen, indem sie auf unsere Fähigkeiten
als mündige Christen hingewiesen haben.

Wie komme ich zu dieser Frage, die heute das Thema ist? Ich fand sie in einem Leserbrief aus unserer hiesigen Zeitung (KStA 142 v. 22.06.2005, Leverkusener Ausgabe). Sie hat mich nicht losgelassen. Es gab auch andere Leserbriefe. Da ging es um das Presbyterium, den Pfarrer, die Gemeinde, um Macht, Demokratie sowie Offenheit (Transparenz).

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